Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Gewaltfreie Kleidung
Wuppertal · Ich frage mich gerade, ob Prinz Charles, der erst deutlich nach Erreichen des Rentenalters nunmehr seinem angestrebten Hauptberuf als König nachgehen darf, eigentlich eine Jogginghose hat.
Zieht er sich wohl nach fünf vollhölzern absolvierten Terminen in Berlin abends in der Royal Suite des Hotels Adlon den Jogger von Nike über und chillt mit Camilla vor dem Kamin? Beim Dino des Weltadels, der vermutlich schon im Nadelstreifenanzug auf die Welt gekommen ist, kann man sich das nicht wirklich vorstellen.
König Charles wäre damit übrigens prädestiniert für den Besuch der Sekundarschule in Wermelskirchen, die kürzlich bundesweit Schlagzeilen machte, weil sie Schüler in Jogginghosen unter Verweis auf die Kleiderordnung der Lerneinrichtung wieder nach Hause geschickt hat.
Diese Meldung hat mich sehr verwirrt, weil ich bisher fest davon ausging, dass Jogginghosen in Deutschland bereits als Schuluniform eingeführt worden sind. Jedenfalls werden viele Kinder durch die Nachrichten aus Wermelskirchen erstmals davon erfahren haben, dass es auch Beinkleider gibt, die nicht unförmig sind und deren Hinterteil sich deutlich oberhalb der Knie in unmittelbarer Popo-Nähe befindet.
Dass sich die joggingbehosten Pennäler aus Wermelskirchen umziehen mussten, um am Unterricht teilnehmen zu dürfen, hat viel Kritik und eine deutschlandweite Diskussion über den Dress-Code an Schulen ausgelöst. Der didaktische Leiter der Sekundarschule blieb aber standhaft und leistete in einer Stellungnahme für die Eltern mit folgendem Hinweis noch einmal wichtige Aufklärungsarbeit: „Jeans, Stoffhosen, bedeckte Intimzonen, gewaltfreie Kleidung etc. sind zumutbar und weder gesundheitsgefährdend noch per se unbequem.“
So ändern sich die Zeiten. Als ich zur Schule ging, wurde noch darüber spekuliert, ob die seinerzeit noch ohne jegliche Stretchfasern knalleng und prall wie ein Bockwurst-Saitling über den Teenagerunterkörper gespannten Jeans möglicherweise zeugungsunfähig machen könnten ...
Kurz gestutzt habe ich bei den Hinweisen des Wermelskirchener Schultürstehers übrigens mit Blick auf den Begriff „gewaltfreie Kleidung“. Den kannte ich bis dahin noch nicht. Es muss sich ja ganz offensichtlich um das Gegenteil von gewaltbereiter Kleidung handeln, über die ich bisher viel zu wenig nachgedacht habe. Was könnte denn wohl gewaltbereite Kleidung sein? Sind da vielleicht Bundeswehr-Parkas, Bomberjacken oder Boxershorts gemeint? Oder geht es um knapp geschnittene Buxen und Leibchen, die man sich nur mit Gewalt überstreifen kann? Fragen über Fragen ...
Die Sekundarschule Wermelskirchen hat übrigens nicht nur eine Kleiderordnung für den Schulbesuch, sondern auch Benimmregeln für Videokonferenzen. Darin steht, dass man vor der Kamera keine Schlafanzüge tragen soll. Jogginghosen gehen möglicherweise in Ordnung, wenn sie nicht im Bild sind ...
Bis die Tage!