Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Was mir schwierig fällt

Wuppertal · Aus unerfindlichen Gründen werden im Fernsehen derzeit wieder Prominente, die keiner kennt, in Sommerhäusern der Stars oder bei Big Brother interniert, auf dass sich der Zuschauer an deren von hochklassigen Dialogen geprägtem Zusammenleben ergötze. Dabei fiel jüngst ein bemerkenswerter kleiner Satz, in dem ein junger Bewohner dieser Einrichtungen für schwer erträgliche TV-Minderleister wissen ließ: „Das fällt mir schwierig.“

Symbolbild.

Foto: Monika Schröder

Ältere Leser, die regelmäßige Nutzer der deutschen Sprache sind, werden sich möglicherweise noch erinnern, dass es früher „Das fällt mir schwer“ hieß und sich daran nach meinen Recherchen auch nichts geändert hat. Aber das Phänomen der irgendwie verrutschten Redewendungen grassiert derzeit noch massiver als Atemwegserkrankungen.

Vor wenigen Tagen lauschte ich an der Fußgängerampel dem Dialog zweier junger Damen, die sich über irgendeinen Tratsch erregten. Eine fragte die andere dann laut: „Wer hat denn dieses Gerücht auf die Welt gesetzt?“ Bisher wurden eigentlich nur Kinder in die Welt gesetzt und keine Gerüchte darauf. Aber die moderne Welt entwickelt sich ja so schnell, dass man uns das vielleicht einfach nur noch nicht mitgeteilt hat.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Natürlich können solche Verbal-Pannen auch einfach nur dem emotional aufgeladenen Redefluss geschuldet sein. Diese Erklärung greift aber nicht wirklich bei der Beschriftung von Kraftfahrzeugen, die ja eher nicht im Affekt geschieht. Deshalb habe ich neulich auch fast das Lenkrad verrissen, als ich auf der A46 hinter einem dieser blauen Amazon-Lieferfahrzeuge herfuhr. Im Prinzip fährt man ja inzwischen immer hinter einem Amazon-Lieferfahrzeug her, weil es davon ungefähr genauso viele gibt wie Autos. Aber was bei diesem auf der Hintertür stand, hatte ich noch nie gesehen. Unter dem Wort „Fahrrad“ und einem entsprechenden Symbol klebte dort akkurat folgender Warnhinweis: „Achtung beim Vorbeifahren dieses Fahrzeugs“.

Bei der semantischen Feinanalyse dieser Mitteilung stieß ich ungeachtet ihrer durchaus überschaubaren Länge schnell an meine Grenzen. Denn was will sie uns sagen? Achtung geben im Sinne von Ehrerbietung erweisen könnte der Radfahrer beim Vorbeifahren des Fahrzeugs höchstens dem Fahrer, von dem man ja weiß, dass er bei Amazon unter sehr schwierigen Bedingungen arbeitet Sollte aber „Acht geben beim Vorbeifahren des Fahrzeugs“ gemeint sein, dann wäre das auch merkwürdig, weil nach meinen bescheidenen Kenntnissen der Straßenverkehrsordnung der Autofahrer darauf achten muss, ausreichend Abstand zum Radfahrer zu halten.

Näher liegt da schon der Verdacht, dass die Formulierung Radfahrer veranlassen soll, beim Vorbeifahren an diesem Fahrzeug Acht zu geben, weil Amazon-Fahrer ja permanent anhalten und aussteigen müssen und unter Zeitdruck wahrscheinlich einfach nicht dazu kommen, auf von hinten anrauschende Radfahrer zu achten, die dann in die sich öffnende Tür knallen. Wenn das so ist, dann ist die Formulierung erstens ziemlich in die Hose gegangen und das Ganze zweitens garantiert in dieser Form ebenfalls eine grandiose Umkehrung der Pflichten von Verkehrsteilnehmern. Nach diesem Prinzip könnte man ja auch an seinen Pitbull statt eines Maulkorbs ein Schild „Achtung beim Vorbeigehen dieses Kampfhundes“ machen...

Nun muss man natürlich berücksichtigen, dass Amazon-Chef Jeff Bezos Amerikaner und der deutschen Sprache sicher nicht vollständig mächtig ist. Vielleicht hat er sich deshalb beim Bekleben ein bisschen vertan. Andererseits ist Bezos mit einem Vermögen von 200 Milliarden Dollar aber auch der reichste Mensch der Welt und wahrscheinlich der Auffassung, dass ihm im Prinzip auch die Straßen in Deutschland gehören. Das zu akzeptieren, fällt mir persönlich allerdings etwas schwierig ...

Bis die Tage!