Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Belastende Gesprächspausen

Wuppertal · Sie haben bestimmt auch davon gehört: Zwei amerikanische Astronauten wollten eigentlich nur acht Tage im All verbringen, mussten dann aber neun Monate bleiben, weil sich ihre Rückfahrt verzögert hatte. Ich wusste gar nicht, dass die Deutsche Bahn auch im Weltraum verkehrt.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Wenn die beiden jetzt sehen, was in den USA so los ist, dann könnte ich mir allerdings sehr gut vorstellen, dass sie rückblickend gerne noch ein bisschen oben geblieben wären ...

Neun Monate ungeplant in einer engen Raumstation aufeinanderzuhocken stelle ich mir nicht einfach vor. Da werden zwangsläufig auch mal belastende Gesprächspausen entstehen. Mit solchen Gesprächspausen hat sich jetzt übrigens die Sprachlernplattform „Preply“ näher beschäftigt: Sie untersuchte, wie lange es in unterschiedlichen deutschen Städten dauert, bis Menschen Unterbrechungen in der Konversation als unangenehm empfinden. Das erstaunliche Ergebnis: Wuppertaler haben die längste Geduld bei Gesprächspausen! (Zu den Ergebnissen hier klicken.)

Laut der Erkenntnisse der Sprachplattform dauert es im Schnitt 9,05 Sekunden, bis sich ein Wuppertaler wundert, dass sein Gegenüber nichts mehr sagt. Zum Vergleich: Den in dieser Hinsicht bundesweit am empfindlichsten Menschen in Bonn wird die Stille schon nach 6,17 Sekunden unangenehm. Das wirft die Frage auf: Wie kann es sein, dass ausgerechnet wir in dieser Statistik Spitze sind? Wobei ich immer noch darüber nachdenke, ob das eigentlich gut schlecht ist.

Ein erster Erklärungsansatz wäre die Tatsache, dass der Wuppertaler an sich ja nicht zur Geschwätzigkeit neigt. Unsere Heimat ist eine der seltenen Regionen, in denen Small Talk noch im ursprünglichen Wortsinne praktiziert wird. Ich bin sogar fest davon überzeugt, dass der Begriff einsilbig in Wuppertal erfunden wurde, weil es hier sehr viele Menschen gibt, die maximal eine Silbe am Tag sprechen. Diese Silbe lautet meistens „nein“.

Denkbar ist zudem Folgendes: Weil Wuppertaler im Wesentlichen nur moppern, sind sie ganz froh, wenn sie sich mal kurz davon erholen können. Nach einem ortsüblichen Satz wie „Verwaltung kannze vergessen, WSV sowieso, inne Stadt sind noch mehr Löcher als im Haushalt, Post kommt jetzt noch seltener als Sonne und für die restliche Driete sorgen die ganzen Tauben“ ist man ganz froh über 9,07 Sekunden Sendepause.

Wie bei allen diesen drolligen Statistiken, die durch die Welt geistern, muss man aber auch hier genau hinsehen. Dann stellt man nämlich fest, dass die zuständige Sprachlernplattform selbst ebenfalls nicht übermäßig gesprächig ist und deshalb nur 1.500 der rund 80 Millionen Menschen in Deutschland zu ihrem Empfinden im Hinblick auf belastende Gesprächspausen befragt hat.

Aus Wuppertal waren demnach exakt 6,75 Personen an der Umfrage beteiligt, was eine eher überschaubare Grundgesamtheit darstellt, zumal man ja nicht weiß, ob bei der Dreiviertel-Person ausgerechnet der Kopf mit dem Mund fehlte, was die Konversationsmöglichkeiten von Hause aus einschränkt. Sollten auch noch Cronenberger oder Ronsdorfer dabei gewesen sein, die von Hause ungern fortgesetzt mit Auswärtigen sprechen, ist der Schnitt ruckzuck sehr hoch.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, habe ich soeben einen Selbsttest gemacht und dem Kollegen gegenüber ein „Stefan ...“ zugerufen, auf das nichts mehr weiter folgte. Er sah mich an, ich guckte zurück und heimlich auf die Uhr ... dann kam endlich ein ungeduldiges „Wat is denn?“. Und zwar nach exakt neun Sekunden! Muss also doch was dran sein. Zumal keiner von uns aus Cronenberg ist ...

Bis die Tage!