Und zwar im Heckinghauser Gaskessel, der lange Zeit nur dazu diente, sich in den engen Straßenschluchten des Stadtteils nicht zu verlaufen, weil man ihn von überall sehen konnte. Inzwischen sind da drin aber dolle 360-Grad-Shows zu sehen, die sich den letzten vier Jahren ungefähr 500.000 Besucher angeschaut haben. 80 Prozent davon kamen von Auswärts, was bedeutet, dass rechnerisch noch nicht einmal jeder dritte Wuppertaler die abgesehen vom Zoo größte Touristenattraktion dieser Stadt von innen erlebt hat.
Das ist für mich nicht weiter überraschend, weil der Wuppertaler gemäß seiner aufgeschlossenen Einstellung gegenüber Neuerungen ja grundsätzlich davon ausgeht, dass sich so ein Firlefanz nicht durchsetzt, dieses Visiodings sowieso schon wieder pleite ist, bis man mal irgendwann Zeit für einen Besuch hat und außerdem kein Mensch weiß, was eigentlich immersive Erlebnisse sein sollen, von denen die da immer reden. Wahrscheinlich was Unanständiges ...
In Wirklichkeit ist das aber sogar im internationalen Vergleich etwas sehr Anständiges, was man ab heute auch in der neuen Show über van Gogh feststellen kann. Von dem hat der eine oder andere Wuppertaler vielleicht auch schon gehört und geht dann mal hin. Das lohnt sich, weil die Visiodromer nicht nur dessen Gemälde bomfortionell groß an die Gaskessel-Wand werfen und schöne Musik dazu laufen lassen, sondern immer auch eine coole Ausstellung dazu basteln, um in diesem Fall van Gogh kennenzulernen.
Und ich sach mal so: In der Schule habe ich Kunst noch schneller abgewählt als Deutschland Olaf Scholz. Wäre der Unterricht aber nur halb so interessant gewesen wie die Ausstellungen im Gaskessel, hätte ich mir das sicher noch mal überlegt und lieber auf Mathe verzichtet, was mit Blick auf den Abiturdurchschnitt ohnehin besser gewesen wäre. (Bilder)
Bemerkenswert ist dabei, dass der Ober-Ausstellungsmacher ursprünglich gar kein Kunstexperte ist, sondern sich einfach mit jedem neuen Künstler so lange beschäftigt, bis er absolut alles über ihn weiß und sich komplett in ihn heinenversetzen kann. Ehrlich gesagt war ich diese Woche bei der van Gogh-Premiere etwas erleichtert, dass er noch beide Ohren hatte.
In Dortmund machen sie übrigens etwas Ähnliches wie im Visiodrom. Da heißt die Location in typischer Ruhrpottsprache „Phoenix de Lumière“ und bietet immersive Shows in der Gasgebläsehalle eines ehemaligen Stahlwerks. Da war ich voriges Jahr und habe mir deren Präsentation zu Salvador Dalí angeguckt. Das ist dieser spanische Maler, der die Hörner eines Stiers als Schnurrbart trug und oft noch skurriler auftrat als Friedrich Merz. Dessen berühmteste Bilder und Fotos aus seinem Leben hatten sie auf die durchaus beeindruckenden Werkswände projiziert und mit Musik von Pink Floyd unterlegt, was an sich gut passte.
Wenn man aber wissen wollte, warum Dalí schmelzende Uhren, brennende Giraffen, Elefanten auf Stelzen oder immer wieder seine Frau mit wenig an gemalt hat, dann musste man zu Hause googeln, weil es keinerlei Erklärungen dazu gab – aber für die Generation Z immerhin eine Selfie-Box ...
Das Visiodrom macht das viel durchdachter, was für die Dortmunder zu verschmerzen sein dürfte. Dass andere besser sind, kennen sie ja vom BVB.
Nebenbei bemerkt ist das Visiodrom ja nicht die einzige immersive Touristenattraktion in Wuppertal. Wir haben schließlich auch noch das Schwebodrom mit seiner grandiosen virtuellen Schwebebahnfahrt im Kaiserwagen durch das Jahr 1929. Die stellt allerdings gerade ältere Besucher zum Teil vor gewisse Herausforderungen.
So erzählte man mir jetzt von einem Senioren, der die vor Fahrtbeginn aufzusetzende Virtual-Reality-Brille noch einmal kurz abnahm und sein Smartphone aus der Jacke holte. Er hielt es am langen Arm nach vorne, drückte den Video-Knopf und setzte die Brille dann wieder auf. Seine Aufnahme der gesamten zwanzigminütigen Fahrt könnte möglicherweise eine Enttäuschung werden ...
Bis die Tage!