Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Wuppertaler Loch
Wuppertal · Reisen bildet ja immer. Das habe ich dieser Tage wieder festgestellt, als ich in Bremen unterwegs war. Dort gibt es immerhin lauter Sachen, die Wuppertal nicht hat: einen Fußball-Verein in der Bundesliga, Fahrradwege, auf denen man nicht sein Leben riskieren muss, und eine richtig große Brauerei. Am besten gefallen hat mir aber das Bremer Loch.
Dabei handelt es sich um einen scheinbar ganz besonderen Gullydeckel auf dem zentralen Marktplatz, der aber eine besondere Funktion hat: Wenn man eine Münze in einen Schlitz in der Deckelmitte wirft, gibt es ein akustisches Dankeschön von den bekannten Bremer Stadtmusikanten aus Grimms Märchen: Immer abwechselnd kräht dann ein Hahn, bellt ein Hund, miaut eine Katze oder macht ein Esel „IAhhh“. Die Münzen werden im Loch gesammelt, das dann einmal jährlich geleert wird. 2024 kamen auf diese Weise 25.187,67 Euro für einen guten Zweck zusammen.
Ein kleines Problem dabei ist allerdings, dass die Position des Gullys in vielen Reiseführern etwas ungenau beschrieben wird. Deshalb vertun sich viele Touristen und stehen dann vor dem Deckel eines wenige Meter entfernten normalen Kanalschachtes der Stadtentwässerung, der auch durchaus zum Münzeinwurf geeignete Öffnungen bietet. Die nutzen dann zahlreiche Menschen und sind etwas enttäuscht, dass aus dem Ding keine Töne, sondern nur Gerüche rauskommen, für die man im Allgemeinen höchstes auf dem Dixi-Klo freiwillig bezahlt.
Immerhin hat die Stadt auf die Verwechslungsgefahr reagiert. Allerdings nicht mit einem sichtbaren Hinweis darauf, dass der richtige nebenan ist. Stattdessen hat man einfach auch unter dem regulären Deckel ein Fangnetz gespannt, aus dem jährlich zuusätzlich ein paar hundert Euro geborgen werden. Daran kann man erkennen, dass die Bremer ihrem Ruf, clevere Kaufleute zu sein, weiter absolut gerecht werden.
Wuppertal hat ja auch ein Loch, allerdings befindet sich da kein Geld drin, weil es nicht auf dem Marktplatz, sondern im Haushalt ist. Aber das könnte man doch ganz leicht ändern: Warum machen wir nicht nach dem Bremer Vorbild überall in Wuppertal an prominenten Stellen Löcher mit Münzeinwurf-Deckeln drauf, die Spender mit einem kleinen lokaltypischen Sound-Dankeschön belohnen? Nur dass die Kohle dann an den Stadtkämmerer und nicht wie in der Hansestadt üblich an die Bahnhofsmission geht, weil unserer Schatzmeister angesichts der finanziellen Lage ja gut und gerne selbst dort Trost suchen könnte.
Ich sehe schon vor mir, wie Touristen in Unterbarmen einen Euro einwerfen und dann erst ein „Törööööö!“ und danach das laute Platschen hören, mit dem Tuffi in der Wupper einschlägt. Vor dem Stadion am Zoo könnten mildtätige Fußballfans Münzen in den Gullywerfen, aus dem der Torjubel der WSV-Fans beim legendären 1:1 1972 gegen Bayern München aufsteigt.
Allerdings habe ich ausgerechnet, dass wir ungefähr 60.000 Münz-Gullydeckel mit Umsätzen auf Bremer Niveau brauchen, um Wuppertal innerhalb eines Jahres schuldenfrei zu machen. Um auf diese Zahl zu kommen, müssen wir bei der Entwicklung eine gewisse Kreativität an den Tag legen. Vor dem Barmer Rathaus könnte beispielsweise für einen Euro der legendäre Satz ertönen, den John F. Kennedy bei seinem Wuppertal-Besuch 1963 in Anwesenheit von Bürgermeister Willy Brandt auf dem Rathausvorplatz gesprochen hat: „Ich bin ein Barmer!“
Was haben Sie da zu moppern? Das war doch gar nicht in Wuppertal? Na und? Kenner der Grimmschen Werke wissen doch auch ganz genau, dass die Stadtmusikanten im Märchen nie in Bremen angekommen sind. Trotzdem buttern die Touristen da richtig rein ...
Bis die Tage!