Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Stillegungsmaßnahme

Wuppertal · Neulich rief mich eine Rundschau-Leserin an, die in Ermangelung geeigneter Voodoo-Puppen in der Zeitung ihrem großen Ärger über die Wuppertaler Stadtverwaltung Luft machen wollte. Dies ist die Geschichte, die sie mir erzählt hat.

Foto: privat

Wenn man von Behörden Briefe mit gelben Umschlägen bekommt, ist das meistens kein gutes Zeichen. Entsprechend erschrocken öffnete eine Familie im Zooviertel am 2. August einen solchen von der Stadt Wuppertal. Darin wurde mitgeteilt, dass ihr Auto aus dem Verkehr gezogen werden müsse, weil ein offensichtlich im Zuge des Dieselskandals nötig gewordenes Software-Update nicht durchgeführt wurde.

Von der Dringlichkeit dieses Updates wussten die Angeschriebenen zwar gar nichts, waren aber als rechtschaffene Bürger natürlich jetzt alarmiert und ließen die Sache am 9. August in der Werkstatt regeln.

Die entsprechende Bescheinigung mailten sie nicht nur an die zuständige Abteilung mit dem angsteinflößenden Namen „KfZ-Stilllegungsmaßnahmen“ beim Straßenverkehrsamt, sondern legten sie im Wissen um das oft wundersame Wirken der Wuppertaler Verwaltung zusätzlich gut sichtbar ins Auto.

Zwei Wochen später kam dann die beruhigende Mail, dass sich die Sache erledigt habe. Zutiefst erleichtert räumten sie den Zettel aus dem Cockpit, fuhren fürderhin befreit durch die Stadt und planten mit ihrem Gefährt am 4. September einen Transport von Gerätschaften an die Küste, für den sie eigens bei Bekannten einen Anhänger ausgeliehen hatten.

Roderiich Trapp.

Roderiich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Als sie sich zu dessen Abholung auf der Straße ihrem geparkten Auto näherten, strahlte ihnen selbiges förmlich entgegen. Das lag maßgeblich an unzähligen roten Aufklebern an allen Scheiben, die dokumentierten, dass ihr Wagen von Amts wegen stillgelegt und das Kennzeichen entsiegelt wurde. Es dürfe auf keinen Fall mehr im öffentlichen Raum bewegt werden. Um der Sache etwas Nachdruck zu verleihen, hing auch noch ein Zettel mit dem dezenten Hinweis „Achtung! Polizeifahndung läuft!“ dran (siehe Foto), den man dieser Form zuletzt in den 1970er Jahren bei der Fahndung nach Baader-Meinhof-Terroristen gesehen hat.

Dieser Ablauf ist etwas unglücklich und natürlich nicht unmittelbar dazu geeignet, bei den Betroffenen Freude auszulösen, rückt sie aber immerhin in den Mittelpunkt des Interesses der Nachbarschaft, die jetzt zuverlässig davon ausgeht, dass die Autobesitzer jahrelang die KfZ-Steuer nicht bezahlt oder sonstige Untaten begangen haben müssen. Sonst hätte die Stadt sowas ja nicht gemacht ...

Glücklicherweise klemmte aber auch eine Karte unter dem Scheibenwischer, auf dem der amtliche Entsiegler seine Handynummer hinterlassen hatte. Die riefen seine Opfer natürlich unmittelbar an, um sich zu beschweren. Es ging aber keiner dran. Genau wie mitten am Tag bei den insgesamt fünf Durchwahlen des Straßenverkehrsamtes, die auf derselben Karte als Kontakt angegeben waren. Der rührend naive Versuch, über die Stadt-Servicehotline 563-0 jemand Zuständigen zu erreichen, scheiterte natürlich ebenfalls.

Kurz vor dem Überkochen des angestauten Adrenalins ging bei der Frau des Hauses aber das Telefon – einer der vergeblich kontaktierten Mitarbeiter des Amtes hatte tatsächlich zurückgerufen, erkannte die Sachlage und machte konstruktive Vorschläge, um den Irrtum zu korrigieren. Die Dame könne mit dem Auto gerne zum Straßenverkehrsamt auf Lichtscheid kommen, dann werde man die entfernten Plaketten wieder dran machen.

„Aber ich darf mit dem Auto doch gar nicht fahren und da sind ja auch die ganzen Aufkleber drauf“, wandte sie ein. Die könne sie ja abkratzen, lautete der erfrischend unbürokratische Lösungsvorschlag für dieses Problem, der sicher auch Polizeistreifen bei Kontrollen unmittelbar überzeugt hätte.

Die alternative Idee, die Kennzeichen abzumachen und in Lichtscheid vorbeizubringen, überzeugte die Betroffene irgendwie auch nicht. Frecherweise war sie nämlich der Auffassung, dass es eher Sache des Amtes wäre, sich mal ganz schnell zu ihr zu bewegen und den Fehler wieder gutzumachen. Das gestaltete sich allerdings schwierig, weil das Diensthandy des Entsieglers im Außendienst nach Auskunft des Innendienstes im Büro liege, er deshalb gar nicht dran gehen und nach Rückkehr auch nicht telefonieren könne, weil er dann Feierabend habe. Bis sich ein erneuter Besuch bei ihr wieder einrichten ließe, könne es schon ein paar Tage dauern ...

Solche Hinweise tragen natürlich nicht unmittelbar zur Verbesserung der Gesprächsatmosphäre bei. Die danach folgenden Anmerkungen der Steuerzahlerin im Hinblick auf die natürlich ausgefallene Fahrt an die Küste, die generelle Leistungsfähigkeit der Stadtverwaltung und Stichworte wie „Schadensersatz“ und „Klage“ müssen aber gewirkt haben.

Denn am Ende klingelte der wohl auf wundersamen Amtswegen verständigte Entsiegler gegen 16 Uhr doch noch an der Tür der Familie, brachte die Sache wieder in Ordnung und antwortete auf die naheliegende Frage, wie so ein Irrtum passieren kann, mit einer sehr beruhigenden Auskunft: Das liege nicht an ihm, sondern an einem Kommunikationsproblem innerhalb des Amtes. Das käme leider öfter vor ...

Ich habe diese Geschichte nicht recherchiert. Aber wenn davon nur die Hälfte stimmt, sollte das Straßenverkehrsamt nicht nur Autos, sondern auch mal dringend seine Betriebsabläufe überprüfen ...

Bis die Tage!