Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Fünf Ringe und ein Ring
Wuppertal · Jetzt hätte ich fast vergessen, etwas Lustiges für Sie zu schreiben, weil man ja den ganzen Tag Olympia gucken muss und deshalb zu nichts anderem kommt.
Nicht gucken ist aber auch keine Alternative, denn die nächsten beiden Olympischen Spiele sind in Los Angeles und Brisbane und eignen sich wegen der Zeitverschiebung in Deutschland fernsehtechnisch wahrscheinlich nur für ausschließlich nachtaktive Wesen wie Eulen oder Fledermäuse. Da sollte man die Sache besser jetzt voll auskosten.
Fest steht schon heute, dass sie in Los Angeles und Brisbane nicht so eine bomfortionelle Eröffnungsfeier hinkriegen werden wie jetzt in Paris. Als ich die eingeschaltet habe, dachte ich mit Blick auf das Wetter zwar erst, die Veranstaltung wäre kurzfristig nach Wuppertal verlegt worden. Aber trotz der ganzen Wassertropfen auf der Kamera war noch erkennbar, dass es sich bei dem hohen Gebäude mit den fünf Ringen, zahllosen Scheinwerfern und Céline Dion dran wohl nicht um den Toelleturm handeln kann.
Deren Auftritt war ähnlich ergreifend wie die Tatsache, dass die deutschen Beckenschwimmer erstmals seit 1988 wieder eine Goldmedaille gewonnen haben. Offensichtlich hat sich jetzt auch beim Schwimmverband die Erkenntnis durchgesetzt, dass es von Vorteil ist, Athleten mit bestandenem Seepferdchen für Olympia zu nominieren.
Als allerersten Wettbewerb habe ich übrigens interessiert den Mixed-Team-Wettbewerb im Schießen mit dem Luftgewehr auf nur zehn Meter entfernte Ziele verfolgt, die man trotzdem im Fernsehbild nicht erkennen konnte. Dabei gewannen nach einem dramatischen Finale ein Mann und eine Frau aus China, die nach dem siegbringenden letzten Schuss weder jubelten noch vor Freude weinten, sondern Gesichter machten, als wären soeben alle ihre nahen Verwandten und Haustiere plötzlich verstorben.
Der Reporter wunderte sich auch etwas, meinte aber, das müsse man verstehen, denn die Schützen wären noch im Tunnel. Weil Doping aber noch vor Tischtennis in China Volkssport Nummer 1 ist, kann es natürlich auch sein, dass dem Flinten-Paar so viele Beruhigungsmittel gegen zitternde Hände verabreicht wurden, dass beide von ihrem Sieg gar nichts mitbekommen haben.
Dienstag hatte ich mich auf den Triathlon gefreut, aber da schwammen in der Seine statt Olympioniken nur Köttel. Insofern wäre es vielleicht tatsächlich besser gewesen, Olympia ins Bergische Land zu verlegen, weil die Wupper ja inzwischen eine bekannt gute Wasserqualität hat. Und wer die 1,5 Kilometer Schwimmen nicht schafft, kann auch laufen, weil die Wupper nicht so tief ist wie die Seine.
Am Donnerstag hat mich das 20 Kilometer Gehen gefesselt. Ich habe mich nämlich die gesamten anderthalb Renn-Stunden permanent gefragt, welche Sportler sich freiwillig eine Disziplin aussuchen, in der man versucht, ganz langsam besonders schnell zu sein. So ein Vorgehen kennt man eigentlich nur von der Wuppertaler Stadtverwaltung. Die Sportart Gehen ist im Prinzip so, als dürften Formel 1-Wagen mit 1.000 PS nur im ersten Gang fahren, weil sie sonst disqualifiziert werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Bewegungsablauf bei Gehen aussieht, als würden die Teilnehmer barfuß über ein 800-Grad-Grillfeld für optimale Steakzubereitung laufen. In Kombination mit von bestürzenden Käppchen, zu hoch gezogenen Büxken und seltsamen Halstüchern geprägten Outfits bietet das Teilnehmerfeld einen Anblick, bei dem man unmittelbar Lust bekommt, diesen Sport auf keinen Fall auszuprobieren.
Besser angucken kann man sich die Darbietungen von Superturnerin Simone Biles, die beim Sprung am Boden in einer Sekunde mehr Umdrehungen schafft als ein Akkuschrauber im Profi-Modus. Manchmal habe ich Angst, dass sie gar nicht wieder runterkommt und plötzlich verschwunden ist.
Ähnlich wie der Ehering des italienischen Fahnenträgers Gianmarco Tamberi, der ihm beim fröhlichen Schwenken des Banners auf dem Mannschaftsboot vom Finger rutschte und in die Seine fiel. Seiner Frau schrieb er danach: „Nach dem Aufprall flog er leider in die falsche Richtung, und als er mehr als tausendmal durch die Luft schwebte, sah ich ihn ins Wasser tauchen, als ob das der einzige Ort wäre, an dem er sein wollte.“
Der Mann hat eine Goldmedaille für die weltbeste Entschuldigung verdient ...
Bis die Tage!