Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Von Apfelkorn und Sturzregen
Wuppertal · In Wuppertal funktioniert ja alles gut, was ungefähr 13 Kilometer lang ist: Also die Schwebebahn, die Nordbahntrasse und der „Lange Tisch“.
Letzterer ist zwar inzwischen auf drei Kilometer geschrumpft worden, weil auf der ursprünglichen Strecke zwischen Oberbarmen und Vohwinkel dann doch mehr Lücken waren als im Gebiss von Niklas Füllkrug. Aber die Verkürzung hat natürlich den immensen Vorteil, dass man nicht Mitglied im Leichtathletik-Club Wuppertal sein muss, um die Strecke einmal komplett abzulaufen.
Ich werde genau das heute beim „Langen Tisch 2024“ natürlich auch wieder tun und dabei an einige dolle Erlebnisse in der Vergangenheit denken. Zum Beispiel an 2014, als ich bei meinem Tisch-Streifzug davon überwältigt wurde, dass aus nahezu jedem Lautsprecher das damals aktuelle „Atemlos“ von Helene Fischer wummerte.
Etwas angesäuert schrieb ich daraufhin in dieser Rubrik folgende Zeilen: „Mit ,A-tem-los‘ steht Helene Fischer historisch betrachtet in der Tradition völlig zu Recht komplett in Vergessenheit geratener Schlagergrimusel aus der großen Zeit der ZDF-Hitparade. Ältere Leser werden sich auch nicht an Namen wie Elfi Graf (,Am schönsten ist es zu Hause’), Monika Morell (,Später, wann ist das?’) oder Elke Best (,Hey Kleiner, mit Dir spielt wohl keiner‘) erinnern, gegenüber denen Helene Fischer qualitativ nur unwesentlich abfällt. Das hat einen Grund: ,Atemlos‘ ist nämlich von Bach komponiert worden. Allerdings nicht von Johann Sebastian, sondern von Kristina, die ihrerseits mit dem heute aus gutem Grund kaum noch erhältlichen Hit ,Erst ein Cappuccino‘ 1990 eine Schlagerkarriere ohne weitere Auswirkungen auf die Musikgeschichte startete. Kristina Bach ist übrigens gebürtige Mettmannerin, womit einmal mehr bewiesen wäre, dass uns aus Richtung Düsseldorf meistens Böses droht. “
Aus heutiger Sicht muss ich natürlich einräumen, dass die Karriere von Helene Fischer dann langfristig doch etwas eindrucksvoller verlief als die von Elfi Graf. Und ich bin sehr froh, dass ich den damals durch meine Zeilen ausgelösten Shitstorm militanter Fischer-Fans knapp überlebt habe. Genau wie die Attacken von geflügelten Blattläusen, die den Besuchern beim Langen Tisch 2009 wahlweise in den Ausschnitt oder ins Bierglas fielen. Damals war es unfassbar drammich, die Luft bestand zu gleichen Teilen aus Sauerstoffmolekülen und den kleinen grünen Insekten, die man davor und danach nie wieder in Wuppertal gesehen hat.
Viele Leute hatten deshalb großen Durst und freuten sich über Sonderangebote wie das an einem Stand in Oberbarmen, der eine „kurze Runde“ mit zehn Apfelkorn für neun Euro anbot. Schon um 18 Uhr orderte der erste Gast das Schnäppchen. Mit den zehn randvoll gegossenen Pinnchen auf einem Tablett fragte der Schankmeister dann: „Wo stehen denn die anderen?“ – Gast: „Welche anderen?“ ...
Was Naturereignisse angeht, ist aber der „Lange Tisch“ 2004 unübertroffen. Damals herrschten klimatische Bedingungen wie im tropischen Regenwald, wobei noch ziemlich lange die Sonne schien. Auf dem Höhepunkte des Festes kam aber von Westen etwas Schwarzes angerauscht, das an die Ankunft des den Himmel komplett verdunkelnden ersten Alien-Raumschiffs im Hollywood-Blockbuster „Independence Day“ erinnerte. Es mündete innerhalb kürzester Zeit in rund 100 Liter Sturzregen pro Quadratmeter.
Die Rundschau hatte damals einen Lounge-Bereich für geladene Gäste im CinemaxX eingerichtet, in den sich dann alles rettete, was in Wuppertal Rang und Namen hatte. Die pisspudelnassen und komplett derangierten Prominenten waren allerdings im Wetlook nicht so ohne Weiteres zu erkennen. Ich ging damals als guter Gastgeber auf eine etwas verloren im Eingang stehende und vor sich hin tropfende Teenagerin zu, die aussah, als hätte sie ihre Eltern verloren. Fürsorglich fragte ich: „Kann ich dir helfen?“.
Unglücklicherweise handelte es sich bei genauem Hinsehen um eine Wuppertaler Landtagsabgeordnete. Hoffentlich bleibt es heute trocken ...
Bis die Tage!