Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Die Roller und der Regiomat
Wuppertal · Meine Frau sagt immer, ich soll mich nicht so aufregen. Wenn man in Wuppertal lebt, ist das aber leider nur sehr schwer realisierbar. Neulich zum Beispiel entdeckte ich an der Autobahnausfahrt Varresbeck fünf korallenfarbe E-Scooter der Firma Voi, die ihre Ausleiher priestermäßig mitten auf dem abgesenkten Fußgängerüberweg abgestellt hatten.
Junge Mütter, die hier die Straße überqueren wollten, hätten ihren Kinderwagen huckepack nehmen müssen, um an der verlassenen Elektromobilitätsflotte vorbeizukommen. Und Ommas ihren Rollator auch. In den Köpfen der Birnemänner und Birnefrauen, die solche Parkleistungen vollbringen, muss ähnlich gähnende Leere herrschen wie aktuell im verlassenen Kaufhof am Neumarkt.
Darüber habe ich mich noch mehr aufgeregt, als das Roller-Quintett 24 Stunden später immer noch exakt so pelzig rumstand wie vorher. Die bei der Einführung gepriesenen Mechanismen, mit denen sowas eigentlich verhindert werden sollte, scheinen also ähnlich wirkungsvoll zu sein wie ein Placebo. Ich habe das Arrangement dann mal fotografiert. Man weiß ja nie, wozu das mal gut ist.
Deutlich besser im Verhindern ist die Stadt Wuppertal dagegen in Gestalt ihrer Abteilung Sondernutzung innerhalb des ohnehin gefürchteten Ressorts Straßen und Verkehr. Davon erzählt ein sechs DIN-A4-Seiten umfassender Schriftverkehr mit der Verwaltung, den die Inhaberin der Backmanufaktur „Analog“ in der Friedrich-Ebert-Straße jetzt vollständig ins Schaufenster ihres ,Ladens gehängt hat. Er soll erklären warum ihr beliebter „Regiomat“, an dem man auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten gesundes Backwerk aus heimischer Produktion und echten Körnern ziehen konnte, nicht mehr in Betrieb ist.
Dazu muss man wissen, dass der besagte Automat exakt sieben Zentimeter aus der Fassade des Geschäftes herausragt, was natürlich unmittelbar die Gefahr birgt, den gesamten Fußverkehr im Luisenviertel zum Erliegen zu bringen. Bei einer Ortsbegehung hat die Verwaltung außerdem festgestellt, dass der „Regiomat“ ausschließlich von einer öffentlichen Fläche aus zu bedienen sei, was eine entsprechende gebührenpflichtige Sondernutzungsgenehmigung der Stadt erforderlich mache.
Für deren Erteilung solle die Bäckersfrau unverzüglich eine technische Zeichnung des Automaten, einen Lageplan im Maßstab 1:250 oder 1:500, auf dem der Automat sowie etwaiges Straßenmobiliar maßstabsgetreu eingezeichnet sind, Angaben zu den Waren, die verkauft werden sollen sowie die schriftliche Einverständniserklärung des Hausbesitzers einreichen. Außerdem solle sie nachweisen, wie sichergestellt werde, dass ihre Produkte ausschließlich von Personen über 18 Jahren erworben werden können.
Dass die Stadt den Verkauf gesunder Brote und Brötchen an Minderjährige unterbinden will, überrascht natürlich etwas und könnte von Ernährungswissenschaftlern kritisch gesehen werden, zumal man an Kaugummiautomaten meines Wissens nach auch ohne Personalausweis einkaufen kann. Aber vielleicht befürchtet man im Ressort Straßen und Verkehr ja, dass Mohnbrötchen high machen könnten ...
Im Schaufenster kann man auf den Folgeseiten dann eine Mail-Auseinandersetzung darüber verfolgen, ob der sehr breite Bürgersteig vor dem „Regiomaten“ und unter dem Vordach des Hauses eigentlich der Stadt oder dem Immobilieneigentümer gehört. Das ist offensichtlich nicht eindeutig. Ganz eindeutig ist aber, dass selbst die gesamte Belegschaft der nahe gelegenen St.-Laurentius-Schule hier geschlossen vorbeilaufen könnte, ohne von einem potenziellen Käufer am Automaten behindert zu werden. Die ganze Thematik hätte die Bäckerin dem Amt gerne auch mal vor Ort persönlich erklärt, aber die zur Besichtigung ausgerückten Einsatzkräfte haben es offensichtlich nicht an dem dramatisch um sieben Zentimeter auskragenden Regiomaten vorbei bis zur Ladentür geschafft.
Mangels Lust auf weitere Auseinandersetzungen hat die Bäckerin die Konsequenzen gezogen und das in vielen Medien als große Errungenschaft für gesunde Ernährung gepriesene Gerät stillgelegt. Ihr Abschiedssatz: „Ab jetzt gibt es in der Stadt Wuppertal nach Geschäftsschluss des Lebensmitteleinzelhandels wieder Toast von der Tankstelle. Chapeau!“
Und jetzt weiß ich auch, wozu das Foto von den so exquisit geparkten Rollern gut war: Ich stelle es hier einfach mal neben die des Regiomaten und überlasse Ihnen die Entscheidung darüber, mit welchen Hindernissen sich die Stadt Wuppertal besser mal vordringlich beschäftigen sollte ...
Bis die Tage!