Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Pilotenstreik 2.0

Wuppertal · Wuppertal wird immer smarter – allerdings leider nur technisch und nicht in echt. Neueste digitale Errungenschaft der Stadt ist der „trafficpilot“. Dabei handelt es sich um eine App, die Autofahrern anzeigt, wann die nächste Ampel grün hat, auf dass man vorausschauend und umweltschonend auf sie zurollen möge.

Schnell auf die App geschaut ...

Foto: Christoph Petersen

Selbstverständlich habe ich diesen Ampelphasen-Assistenten sofort installiert – als App Nummer 186 gleich neben der Rezeptsammlung für unsere Heißluftfritteuse und der App, die sagt, wann der Kopf meiner elektrischen Zahnbürste statt Borsten nur noch Bartstoppeln hat, obwohl man das eigentlich auch ganz gut mit bloßem Auge sieht. Trotzdem hat Letztere im App-Store immer noch bessere Nutzer-Bewertungen als der „trafficpilot“. Würde es sich beim „trafficpilot“ nicht um eine App, sondern um einen Schüler handeln, wäre seine Versetzung mit Blick auf die vielen schlechten Noten akut gefährdet.

Das könnte maßgeblich an einem kleinen Problem der App liegen: Denn der Autofahrer an sich ist ja gehalten, auf die Straße und nicht auf ein Smartphone zu gucken. Das ignorieren viele Menschen zwar mutwillig, wenn unterwegs wichtige Nachrichten von Tante Martha oder ein neues Katzenvideo eintreffen. Aber dass man durch eine quasi offizielle Anwendung permanent vom Verkehr abgelenkt wird, ist neu.

Roderich Trapp.

Foto: Max Höllwarth

Auf dem Display sieht man nämlich eine virtuelle Straße, die ständig die Farbe wechselt und blinkt wie meine selbstgesbastelte Lichtorgel 1982 im Partykeller. Daran soll man erkennen können, ob man bei der nächsten Ampel freie Fahrt hat. Wer diesen Informationsfluss verarbeiten will, baut entweder einen Auffahrunfall oder muss sich zusätzlich einen Beifahrer aus dem App-Store herunterladen, der ihm erklärt, was er machen soll.

Es gibt zwar zusätzlich auch noch eine Sprachausgabe, die dort eingebaute Frau ist aber ähnlich wie die Wuppertaler Stadtverwaltung wenig auskunftsfreudig und verstummt gerne unvermittelt. Beim ersten Test empfahl sie mir immerhin unten an der Briller Straße „Grün bei Tempo 40“. Leider darf man da nur 30 fahren, was der Frau offensichtlich niemand gesagt hat. Eine Ampel weiter raunzte sie mich an „Bis zur Haltelinie vorfahren“. Da stand ich aber schon längst. Ebenfalls nur begrenzten Nutzwert hatte am Robert-Daum-Platz der Zuruf „Grün bei geradeaus nicht erreichbar“. Ich wollte nach rechts ...

Steht man an einer roten Ampel, meldet die App vor deren Umspringen „Grün in drei Sekunden“. Ein immerhin richtiger Hinweis, für den allerdings schon vor Jahrzehnten die gelben Lämpchen in den Lichtzeichenanlagen erfunden wurden. Bei einem weiteren Test auf der B7 empfahl die App „Grün bei 30 km/h“. Der Versuch, das umzusetzen, führte zu zweimal Vogel gezeigt kriegen und einmal angehupt werden, weil andere 50-Stukis-Fahrer diesen Wissensvorspung leider nicht hatten. Am Loh zeigte das Display Rot für Linksabbieger und Grün für Geradeausfahrer an, die Ampel sagte aber genau das Gegenteil. Wem soll man da bloß glauben?

Steht man an einer roten Ampel, verrät der „trafficpilot“ übrigens manchmal, wie lange man noch warten muss. Das ist eine enorm nützliche Information, wenn man mit dem Gedanken spielt, sich unterwegs die Fußnägel zu schneiden. Ansonsten ist das eher entmutigend. Gelegentlich weiß der „trafficpilot“ aber auch nicht, was die Ampel vorhat. Dann erscheint die Nachricht: „Rotdauer nicht sicher.“ So etwas kannte man bisher nur nach roten Karten beim Fußball im Hinblick auf die Dauer der dann folgenden Sperre.

Als ich auf den Rott gefahren bin, ist die App abgestürzt, was für eine Software mit „Pilot“ im Namen keine besonders vertrauensbildende Maßnahme darstellt. Andererseits streiken die echten Piloten ja auch ziemlich oft. Möglich ist natürlich auch, dass der „trafficpilot“ sich beleidigt verabschiedet hat, weil es auf dem Rott keine einzige Ampel gibt. Oder er hat sich komplett verfranst, weil seine Programmierer in München sitzen und selbst alte Wuppertaler in den Rotter Einbahnstraßen gerne scheitern.

Scheitern ist auch das Stichwort, wenn es um mein Test-Fazit geht. Wer vorausschauend fahren will, sollte auf die Straße und nicht aufs Handy gucken. Und ob eine Ampel grün ist, erkennt man immer noch ganz gut an der Farbe. Deshalb liegt der trafficpilot auf meinem Smartphone immer noch direkt neben der Zahnbürsten-App. Und zwar im Papierkorb.

Bis die Tage!