Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Fußmattendenkmal

Wuppertal · Es gibt immer wieder Schreckensmeldungen aus Wuppertal, bei denen man sich fragt, was das Schicksal denn noch alles Grausames mit uns vorhat. In diese Kategorie gehörte jetzt die Nachricht, dass die Fußmatten im Opernhaus Probleme machen.

Fraktionssitzung der SPD im Kronleuchterfoyer (Archivbild).

Foto: SPD

Der Vorgang ist in seiner ganzen Tragweite kaum angemessen zu beschreiben. Es ist nämlich so, dass im Opernhaus am Eingang große Fußmatten liegen, an denen sich die Besucher den Schmutz der in Wuppertal oft nur unzureichend gereinigten Straßen von den Schuhen streifen sollen, auf dass sie ungetrübten kulturellen Hochgenuss ohne Kontamination durch Anhaftungen aus der schnöden Welt draußen genießen können.

Leider sind diese Fußmatten aber aus Kokosfasern, die mutmaßlich in Kinderarbeit von pakistanischen Säuglingen nur notdürftig mit Spucke am Trägermaterial befestigt wurden. Deshalb lösen sie sich beim Schuhabstreifungsvorgang großflächig von selbigem und werden vom arglosen Besucher weitergetragen, bis sie sich hartnäckig in der Auslegeware des Opernhauses festsetzen. Der blaue Teppichboden sieht mit diesem gelben Faserbesatz ungefähr so aus wie das Trikot von Eintracht Braunschweig, wobei dieser Club ja eigentlich nicht in die Hochkultur, sondern in die Niederungen der 2. Bundesliga gehört.

Ich persönlich war auch mal Besitzer einer Kokos-Fußmatte, die nicht nur die Farbe eines Golden Retrievers hatte, sondern auch ähnlich stark haarte. Ich habe sie dann zügig durch ein in dieser Hinsicht völlig problemloses graues Exemplar aus Kunstfasern ersetzt, das seitdem gänzlich unverdächtig seinen Dienst tut. Das wäre sicherlich auch für das Opernhaus eine vergleichsweise einfache Lösung, die aber für die Stadt nicht darstellbar ist. Denn für den Austausch von Fußmatten braucht es an dieser Stelle ein denkmalrechtliches Erlaubnisverfahren.

In diesem Zusammenhang räume ich ein, dass ich den Einfluss von Fußmatten auf die Wirkung von Denkmälern bisher massiv unterschätzt habe. Offensichtlich ist es so, dass eine zwar funktionelle, aber nicht authentische Fußmatte ein Denkmal quasi komplett ausradieren kann. Eine einzige nicht von Märchenkönig Ludwig beim Anhören von Wagner-Opern selbst geknüpfte Fußmatte im Eingang von Schloss Neuschwanstein – schon könnten die da unten in Bayern die Weltkulturerbe-Bewerbung vergessen! Da ist natürlich auch eine möglicherweise farblich oder von der Beschaffenheit her geringfügig abweichende Fußmatte im Opernhaus-Foyer mit Borsten aus dem 21. Jahrhundert kaum vorstellbar.

Ich sehe schon vor mir, wie das Publikum statt über das hohe C der Sopranistin erregt über die Qualität der Niederflor-Fasern am Eingang diskutiert. Und muss das sensible Thema nicht möglicherweise auch künstlerisch kommentiert werden – etwa, indem das Pina-Bausch-Ensemble seine Inszenierung von „Das Stück mit dem Schiff“ in „Das Stück mit der Fußmatte“ abwandelt?

Und was ist eigentlich mit den Fußmatten in unseren anderen denkmalgeschützten Prachtbauten? Meines Wissens liegt zum Beispiel am Eingang des VIP-Raums im hundert Jahre alten Tribünengebäude des Stadions am Zoo so ein langer schwarzer Plastikläufer mit der Aufschrift „Herzlich willkommen beim Wuppertaler Sportverein“. Sollte den nicht Horst Szymaniak persönlich angefertigt und verlegt haben, rechne ich fest damit, dass die nächsten WSV-Spiele ausfallen. Vielleicht müssen sie das aber sowieso, weil ich nicht sicher bin, ob der soeben neu gepflanzte Spielfeld-Rasen denkmalschutztechnisch überhaupt vertretbar ist. Er scheint mir etwas grüner zu sein als der historische.

Und wenn kleinste Abweichungen schon bei vier Quadratmetern Opernhaus-Fußmatten ein No-Go sind, wie ist das dann erst bei 6.000 Quadratmetern Stadion?

Bis die Tage!