Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Personalisiertes Zahnputzerlebnis

Wuppertal · Zu Weihnachten treten ja gerne neue technische Geräte in unser Leben, deren sachgerechten Einsatz man dann mindestens bis Silvester erfolglos übt. In meinem Fall handelte es sich diesmal um eine elektrische Zahnbürste der neuesten Generation, die ausweislich der Werbung die Beißerchen so weiß strahlen lässt wie die Kreidefelsen von Rügen und Plaque und Pelz noch schneller verjagt als Olaf Scholz seine Wähler.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Erreicht wird das durch Überschallvibrationen in unvorstellbarer Frequenz, die einen intelligenten Bürstenkopf zum Schwingen bringen, der mit verschiedenen Reinigungsprogrammen sogar die Zähne von Leuten sauber kriegt, die zufällig draußen vor dem Badezimmer vorbei gehen.

Weil das Gerät blau und für die Zähne ist, wird es außerdem per Bluetooth mit einer App verbunden, die das Putzverhalten analysiert und dem Anwender laut Begrüßungssatz „Trends, Tipps, Hinweise und mehr zum Zähneputzen“ gibt. Nun habe ich bisher leichtfertigerweise kaum über Zahnputztrends nachgedacht. Ist es möglicherweise gerade Mode, zuerst oben rechts zu putzen?

Bevor ich mir darüber Gedanken machen konnte, musste ich aber erst mal lernen, wie man das Teil überhaupt erfolgreich zum Einsatz bringen kann. Der erste Versuch scheiterte nämlich daran, dass der vibrierende Bürstenkopf die sorgsam aufgetragene Zahnpasta auf dem Weg zum Mund schneller abwarf als ein wildgewordener Hengst einen Hobbyreiter.

Nachdem ich Zahncreme im Gegenwert von ungefähr fünf Euro im Waschbecken versenkt hatte, kam ich auf die Idee, den Bürstenderwisch erst einzuschalten, wenn sein Kopf schon im Mund platziert ist. Um ihn dort unterzubringen, muss man diesen Mund allerdings öffnen, weshalb die Zahnpasta dann nach Einsetzen der Vibration unmittelbar in leicht verflüssigter Form als das wieder aus ihm raus läuft, was wir Wuppertaler Säwer nennen. Schließt man den Mund jedoch, um das Säwern zu verhindern, wird der Reinigungsvorgang zu einer Art Kitzelfolter an der Lippe. In der App steht zwar viel über das „personalisierte Zahnputzerlebnis“, das den Überschallbürstenbenutzer erwartet, aber leider nicht, wie man dieses Problem löst.

Nach einigen weiteren Versuchen waren zwar die Zähne nicht unbedingt weißer, dafür aber mein Bademantel, auf dem der Großteil der austretenden Zahnpasta landet, sofern man sich nicht quer über das Waschbecken krüppt. Die App war trotzdem begeistert von mir, denn auf dem Handy-Display ploppte plötzlich der Satz „SEHR GUT! Sie haben letztes Mal herausragend geputzt“ auf. Gleichzeitig wurde mein weicher und sanfter Anpressdruck gelobt, den der intelligente Bürstenkopf an Big Dentalbrother gemeldet hatte. Beides habe ich von meiner Frau schon lange nicht mehr gehört, weshalb ich trotz aller Widrigkeiten hoch motiviert zweimal täglich weiter überschallputzte.

Dann aber beging ich den fatalen Fehler, Silvester mit Übernachtung bei Freunden zu feiern und dazu die alte Handzahnbürste ins Kulturtäschchen zu packen. Die App war deshalb am nächsten Abend offensichtlich schwer beleidigt und schimpfte mich aus, weil ich mir angeblich nicht die Zähne geputzt hätte. Im Cockpit, das mein gesamtes Zahnputzverhalten aufzeichnet und analysiert, sank meine Zähneputzhäufigkeit unmittelbar auf beschämende 1,4 Mal am Tag.

Verzweifelt suchte ich nach einer Möglichkeit, den analogen Putzvorgang nachzutragen, fand aber nur einen Menüpunkt, unter dem ich meine Zahnarzttermine verwalten kann. Aber vermutlich hat die App den Dentisten ohnehin bereits verständigt und er wird von sich aus auf mich zukommen, um die durch den verabsäumten Putzvorgang entstandenen Schäden zu reparieren.

Möglicherweise um diesen Pflegerückstand aufzuholen, hat die Zahnbürste heute morgen automatisch in die bislang noch nicht zum Einsatz gekommene stärkste Reinigungsstufe geschaltet. Deshalb mache ich jetzt auch Schluss. Ich muss das Badezimmer putzen ...

Bis die Tage!