Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Farbenfreundliches Pflaster

Wuppertal · Ich kann seit Tagen nicht mehr schlafen, weil mir die ganze Nacht ein Wort durch den Kopf geht. Entdeckt habe ich es im Fenster des neuen Informationsbüros, in dem uns die Stadt ausführlich erklärt, warum die Bauarbeiten in der Elberfelder City vermutlich noch bis nach den Olympischen Spielen dauern. Allerdings nicht denen in Paris, sondern denen 2032 in Brisbane.

Das „farbenfreundliche“ Poststraßen-Pflaster auf der Visualisierung im Schaufenster des städtischen Info-Büros.

Das „farbenfreundliche“ Poststraßen-Pflaster auf der Visualisierung im Schaufenster des städtischen Info-Büros.

Foto: Stadt Wuppertal

Um diese nicht unerhebliche und mit Erschwernissen in Form einer weitgehend unbenutzbaren Innenstadt verbundene Wartezeit etwas erträglicher zu machen, hat man in besagtes Fenster an der Schwanenstraße ein Plakat gestellt, auf dem das zukünftige Antlitz des Herzstücks der Fußgängerzone visualisiert wird. Darunter steht geschrieben: „Ein Stück vom neuen Elberfeld: Alte Freiheit & Poststraße laden ein mit farbenfreundlichem Straßenbelag.“

Und da wäre also dieses Wort: Was ist denn wohl ein farbenfreundlicher Straßenbelag? Sehr wohl hörte ich schon von farbenfrohen Straßenbelägen. Die können aber nicht gemeint sein, denn die im Bild zu sehende Pflasterung greift flächendeckend die für Funktionswesten fröstelnder Seniorenreisegruppen typischen, klassisch-tristen Beige-Töne auf. Und beige ist ja bekanntlich erstens keine Farbe und zweitens nach landläufigem Verständnis auch nicht unbedingt die kolorierte Inkarnation des Frohsinns. Gleiches gilt für die Farbe Dunkelgrau, in der die Abflussrinne zur Aufnahme von Regen und aus dem Wupperpark Ost abfließenden Körperflüssigkeiten gehalten ist, die das Pflaster längsseitig wie eine Demarkationslinie durchmisst.

 Roderich Trapp.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Ratlos suchte ich also im Duden nach „farbenfreundlich“. Doch auch die Gralshüter der deutschen Sprache, die dieses Standardwerk herausgeben, haben offensichtlich noch nie davon gehört. Es muss sich folglich um eine originäre Wortschöpfung der Wuppertaler Stadtverwaltung handeln, was sehr erfreulich ist, weil Politiker zuletzt ja sehr oft von selbiger mehr Erfindungsreichtum im Umgang mit der Problem-Baustelle gefordert hatten.

Trotzdem bleibt natürlich die Frage offen, was „farbenfreundlich“ im Zusammenhang mit einem graubeigen Innenstadtgesicht bedeuten soll, das in weiten Teilen an kahle Stellen in der Süd-Sahara erinnert. Meint „farbenfreundlich“ vielleicht, dass Passanten hier angstfrei bunte Kleidung tragen können, weil sie sich hervorragend vom blassen Untergrund abheben? Oder handelt es sich um ein Integrationspflaster, das Passanten gemahnt, nach dem Vorbild des Straßenbelags zu Menschen aller Hautfarben und Herkunftsländer gleichermaßen freundlich zu sein? Das wäre vorbildlich, würde rechte Zielgruppen aber semantisch möglicherweise überfordern.

Ich habe natürlich auch noch im Internet geguckt, ob da vielleicht irgendwo „farbenfreundlich“ auftaucht. Das tut es tatsächlich, wenn auch nur ein einziges Mal und mit Bindestrich: Bei „farben-freundlich“ handelt es sich um einen Kreativshop in Delitzsch. Seine Inhaberin hat sich ausgerechnet auf Dekorationen im Shabby-Stil spezialisiert. Manche Klopper kann man sich einfach nicht ausdenken ...

Bis die Tage!