Wuppertaler „TelefonSeelsorge“ „Für uns gibt’s keine Schulversager“

Wuppertal · Wenn am Schuljahresende die Zeugnisse auf dem Tisch liegen, macht sich in manchen Familien statt Ferienfreude eher Ärger und Angst breit. Die Wuppertaler „TelefonSeelsorge“ hat ein offenes Ohr für die Sorgen von Eltern und Schülern, betont Leiterin Jula Heckel-Korsten.

Pfarrerin Jula Heckel-Korsten ist Leiterin der Wuppertaler Telefonseelsorge.

Foto: Tim Polick

Wer meldet sich bei der Telefonseelsorge, wenn es um Zeugnisse geht?

Heckel-Korsten: „Da das Telefon nicht mehr das Kommunikationsmedium der Kinder und Jugendlichen ist, melden sich bei uns eher die Eltern. Jugendliche ab 14 Jahren mailen uns häufig. Das Thema Leistungsdruck beschäftigt eine Menge junge Menschen, auch Studierende. Und zwar nicht erst, wenn auf den Zeugnissen schlechte Noten stehen. Viele, die sich bei uns melden, stehen unter starkem Druck und kommen mit Ängsten und Ärger zu uns in die Telefonseelsorge.“

Was macht ein schlechtes Zeugnis mit den Schülerinnen und Schülern, aber auch mit ihren Eltern?

Heckel-Korsten: „Ich habe den Eindruck, dass gute Noten heute mehr denn je als sichtbarer Beweis für Erfolg und Intelligenz gelten. Wenn ein Kind oder Jugendlicher also bescheinigt bekommt, dass seine Leistungen ,mangelhaft‘ sind, bezieht es das leicht auf seine gesamte Person und sieht sich schnell als Versager. Eltern wünschen sich ein gutes Leben für ihre Kinder und haben die Befürchtung, dass dies ohne eine erfolgreiche Schullaufbahn nicht gelingen könnte.

Diese Sorge um die Zukunft ist angesichts von Kriegen und Klimawandel gesellschaftlich insgesamt größer geworden. Zudem beobachte ich einen starken Selbstoptimierungsdruck. Je unübersichtlicher die Welt wird, desto höher ist der Anspruch, wenigstens im persönlichen Leben ,perfekt‘ zu sein.“

Ein Gespräch mit der „TelefonSeelsorge“ kann helfen. Warum?

Heckel-Korsten: „Viele rufen an, wenn sie emotional aufgewühlt sind. Bei uns dürfen sie ihre Angst und ihren Ärger erstmal loswerden. Eltern regen sich über ihre ,faulen Kinder‘ auf und die wiederum über ihre wütenden Eltern und ungerechten Lehrer. Das sind normale Reaktionen. Doch am Zeugnis lässt sich jetzt nichts ändern. Daher ist es auch wichtig, sich wieder zu beruhigen, und das gelingt am besten mit ruhigen und neutralen Gesprächspartnern wie wir sie in der Telefonseelsorge haben.

Hier wird niemand beurteilt oder gar verurteilt. Für uns gibt es keine ,Schulversager‘. In einem nächsten Schritt überlegen wir dann gemeinsam Strategien, welche Unterstützung nun hilfreich ist, damit sich an den schlechten Noten etwas ändert.“

Was kann zu diesen Strategien gehören?

Heckel-Korsten: „Eine häufige Reaktion der Eltern auf ein schlechtes Zeugnis ist, ihren Sohn oder ihre Tochter über die gesamten Ferien zu Nachhilfestunden zu ,verurteilen‘. Das ist nicht sinnvoll. Die Ferien sind wichtig, damit die Kinder und Jugendlichen – genauso wie ihre Eltern – mal von der Schule abschalten können. Wenn Nachhilfe in dieser Zeit nötig ist, sollte die Dauer begrenzt werden, indem sich Lern- und Ruhephasen abwechseln. Und es kann auch sinnvoll sein, wenn die Eltern nicht selbst mit den Kindern lernen.

Außerdem eigenen sich die Sommerferien gut, um mehr Zeit miteinander zu verbringen und in Ruhe ins Gespräch zu kommen. In der Telefonseelsorge fragen wir immer nach dem ,guten Grund‘ für ein Verhalten. Und da gibt es auch im Hinblick auf ein schlechtes Zeugnis viele: von der Überforderung mit der Schulform über Mobbing in der Klasse bis hin zu unbearbeiteten Konflikten in der Familie.“