Bergische Uni Wuppertal Mehrheit der Bevölkerung für Bürgerräte

Wuppertal · Das Institut für Demokratie- und Partizipationsforschung (IDPF) der Bergischen Universität Wuppertal hat den „Bürgerrat Ernährung“ des Deutschen Bundestages evaluiert. Das Ergebnis: Das Gremium hat seine Aufgabe erfüllt, die Teilnehmerinnen und sind mit der Durchführung sehr zufrieden. Die Bevölkerungsumfrage ergab auch, dass rund 80 Prozent der Befragten das Format befürworten.

Prof. Dr. Detlef Sack.

Foto: Mathias Kehren

Der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ wurde 2023 erstmals vom Deutschen Bundestag eingesetzt. 157 zufällig ausgeloste Personen berieten sich über Themen rund um eine gesunde und bezahlbare Ernährung und übergaben im Februar 2024 ihre Empfehlungen in Form eines Bürgergutachtens an das Parlament.

Die wissenschaftliche Evaluation wird unter Leitung des IDPF zusammen mit dem Marktforschungsinstitut Verian durchgeführt. In ihrem ersten Abschlussbericht ziehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun Schlüsse aus den teilnehmenden Beobachtungen der Bürgerratssitzungen, Interviews mit den Teilnehmenden, den Durchführenden und Bundestagsabgeordneten sowie Medien- und Dokumentenanalysen. „Diese Erkenntnisse bilden eine faktenbasierte Grundlage zur Verbesserung der Durchführung eines zweiten parlamentarischen Bürgerrates sowie des Instruments insgesamt“, so Prof. Dr. Detlef Sack (Leiter des IDPF).

Der Evaluationsbericht dokumentiert nun, dass der Bürgerrat Ernährung hinreichend Antworten auf die vom Bundestag formulierten Fragen geliefert und damit seine Aufgabe erfolgreich und vollständig erfüllt hat. Auch die Durchführung des Bürgerrates an sich (Teilnahmemanagement, Moderation, Einbindung von Expertise, Dialogqualität) wird insgesamt positiv bewertet, wobei unter anderem Verbesserungspotenziale bei Abstimmungsverfahren und dem Verhältnis von digitalen und Präsenzsitzungen gesehen werden.

Bevölkerung möglichst gut abgebildet

Die Zufallsauswahl habe sichergestellt, dass der Bürgerrat die Bevölkerung möglichst gut abbilde. Die Befragung der Teilnehmenden habe allerdings gezeigt, dass im Bürgerrat weniger Menschen mit Migrationshintergrund vertreten waren als in der Gesamtbevölkerung. „Wir schlagen daher vor, diesen Aspekt künftig mit in den Kriterienkatalog aufzunehmen“, so Nora Freier und Alan Marx vom IDPF.

Auch viele Teilnehmende zogen eine positive Bilanz: In der dritten Befragung stimmten 84 Prozent der Aussage voll und ganz zu, dass das Bürgerrat für sie alles in allem eine positive persönliche Erfahrung war. Weitere zwölf Prozent stimmten dem eher zu. Mit den Empfehlungen des Bürgerrates waren 86 Prozent insgesamt zufrieden. Kritischer gesehen wurde dagegen die Aufnahme von Minderheitenpositionen am Ende der Beratungen.

Hohe Zustimmung für das Format Bürgerrat

Ebenfalls Bestandteil der Evaluation des IDPF waren zwei repräsentative Bevölkerungsumfragen. Die erste Befragung wurde zeitnah (nach Beginn der Evaluation) im November und Dezember 2023 umgesetzt. Die zweite Befragung fand nach Abgabe der Empfehlungen statt. Zu beiden Befragungszeitpunkten fand die große Bevölkerungsmehrheit von vier Fünfteln (79 Prozent im November/Dezember 2023 und 81 Prozent im Februar/März 2024), dass es eine sehr gute oder gute Idee war, den Bürgerrat einzusetzen. Diese positive Einstellung zum Bürgerrat zieht sich quer durch alle Bevölkerungsgruppen, unabhängig von Alter, Bildung, Einkommen, Wohnort oder politischem Vertrauen.

Auch für die Fortführung von Bürgerräten gab es eine hohe Zustimmung. Die große Bevölkerungsmehrheit von vier Fünftel der Befragten (80 Prozent im November/Dezember 2023 und im Februar/März 2024 mit 85 Prozent sogar noch etwas mehr) empfiehlt, dass der Deutsche Bundestag in Zukunft weitere Bürgerräte auch zu anderen Themen einberuft. Nur 13 (November/Dezember 2023) beziehungsweise zehn Prozent (Februar/März 2024) sind gegen weitere Bürgerräte.

Bürgerräte sind Beteiligungsverfahren von 30 bis 200 per Los zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger, die bei mehreren Terminen gemeinsam und in Kleingruppen ein vorgegebenes Thema diskutieren und der Politik ihre Handlungsempfehlungen in Form eines Bürgergutachtens übergeben. Sie erhalten Hintergrundinformationen von Expertinnen und Experten, die das gesamte wissenschaftliche und politische Spektrum umfassen.

Der aktuelle Deutsche Bundestag setzt erstmals Bürgerräte ein, um zu einer konkreten politischen Fragestellung eine direkte Rückmeldung aus der Mitte der Gesellschaft zu bekommen – jenseits von Meinungsumfragen und Lobbyismus. Ziel ist es, Menschen in die Diskussion zu holen, die sich sonst nicht lautstark einbringen. Im Bürgerrat tauschen sich Menschen mit verschiedenen Lebens- und Berufserfahrungen aus, die sich sonst kaum begegnen würden. Weitere Infos gibt es unter www.bundestag.de/buergerraete