Interview mit Zollobersekretär Nico Lenz „Es gibt nichts, was nicht gefälscht wird“

Wuppertal · Das Zollamt an der Vohwinkeler Corneliusstraße kümmert sich um auffällige Pakete, die an Wuppertalerinnen und Wuppertaler adressiert sind. Im Rundschau-Interview erklärt Zollobersekretär Nico Lenz, was dort mit den Sendungen passiert und was Privatleute über den internationalen Versand unbedingt wissen sollten.

Nico Lenz ist 23 Jahre alt und Zöllner im mittleren nichttechnischen Dienst. Foto: Wolf Sondermann

Foto: Wolf Sondermann

Rundschau: Warum landen Päckchen oder Pakete, die an mich adressiert sind, überhaupt bei Ihnen im Zollamt?

Lenz: „Waren, die aus außerhalb der EU – also aus einem Drittland – nach Deutschland eingeführt werden, unterliegen nun mal den Zollbestimmungen. Viele Menschen wissen das gar nicht, geschweige denn machen sie sich Gedanken darüber, dass das, was sie zum Beispiel im Internet bestellt haben, gar nicht aus der EU geliefert wird.“

Rundschau: Was bedeutet das dann für mich?

Lenz: „Die Zollfreigrenze gibt es schon seit einigen Jahren nicht mehr. Bei einem Warenwert bis 150 Euro sind dann 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer zu zahlen. Bei einem höheren Wert errechnet sich die Abgabe nach dem Zolltarif. Im letzten Jahr haben wir für unseren Zuständigkeitsbereich 1.760 Päckchen und Pakete überprüft. Und da waren dann zum Beispiel aber auch mehr als 100 Fälle von Produktpiraterie dabei. Kleidung, Medikamente, Elektronik, Autozubehör – es gibt eigentlich nichts, was nicht gefälscht wird und was wir hier dann auf dem Tisch liegen haben. Und dann kann das vermeintliche Schnäppchen am Ende teuer werden.“

Rundschau: Muss ich dann die Strafe zahlen?

Lenz: „Auch wenn für den Spruch eigentlich fünf Euro ins Phrasenschwein fällig wären, er gilt einfach: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Ob und wie teuer es wird, hängt von dem Markeninhaber ab. Manche sind da sehr hinterher, andere gar nicht. Aber mal ehrlich: Wenn das angebliche Markenprodukt einfach zu billig ist, sollten die Alarmglocken schrillen.“

Rundschau: Es geht bei Ihnen aber nicht nur um die Markenrechte, oder?

Lenz: „Nein, uns geht es vor allem auch um die möglicherweise fehlende Sicherheit. Bei den Fakes zum Beispiel von Kleidung passt dann vielleicht die Qualität am Ende nicht. Das ist ärgerlich, aber – vermutlich – nicht wirklich gefährlich. Anders sieht das aber bei illegal eingeführten Elektronik-Artikeln aus. In der EU gelten zum Glück strenge Vorgaben, eine CE-Kennzeichnung ist hierzulande vorgeschrieben. Die fehlt aber oft, wenn ich mir irgendwas irgendwo im Internet bestelle.“

Rundschau: Temu, Shein & Co.: Sind die Online-Portale aus Fernost eine Hauptquelle für die Sendungen, die bei Ihnen landen?

Lenz: „Das ist tatsächlich schwer zu sagen, da man es den Sendungen von außen oft nicht ansieht, wer der tatsächliche Versender ist. Aber mit Sicherheit ist der Anteil nicht gering.“

Rundschau: Um mir Ärger zu ersparen: Was passiert denn, wenn ich die Sendung dann einfach nicht bei Ihnen abhole?

Lenz: „Wir haben ja im Zweifelsfall Ihre Adresse. Aber im Ernst: Sie müssen ja keine Angst haben, hier hinzukommen. Es sind ja nicht alle Sendungen aus einem Drittland verboten. Manchmal fehlt auch nur eine Rechnung oder man muss nachweisen, dass es sich um ein Geschenk handelt. Wir öffnen die Pakete immer mit der Empfängerin oder dem Empfänger gemeinsam. Manchmal geht es auch um Lebensmittel.

Ein kleiner Hinweis für den Hinterkopf: So ein Transport per Post kann mitunter dauern. Und da verdirbt die eine oder andere Leckerei schon mal auf dem Weg. Wir haben da schon einige unappetitliche Erfahrungen machen können. Mein Highlight war ein Paket mit lose gepackten Rührkuchen als Geschenksendung, die innen schon ausgehärtet und von außen mit einer dicken Schicht Schimmel belegt waren ...“

Rundschau: Was landet denn bei Ihnen am Häufigsten?

Lenz: „Ganz klar: Medikamente. Da ist die Regelung einfach: Die Einfuhr aus außerhalb der EU ist streng verboten. Egal, ob es jetzt bestimmter Marken-Zahnaufheller aus Fernost ist oder der Spezial-Hustensaft aus Afrika.“

Rundschau: Bei rund 100 Fällen von Produktpiraterie kommt ja einiges an Plagiaten zusammen. Was passiert mit denen?

Lenz: „Die werden vernichtet. Und Wuppertal hat dann zumindest ein bisschen was davon, weil ein Teil der Sachen im Müllheizkraftwerk auf Korzert verbrannt werden.“