Bergische Uni Wuppertal Weniger Stop, mehr Go: Fahrerassistenz-Systeme im Visier
Wuppertal · Assistenzsysteme im Auto optimieren und damit einen positiven Beitrag für mehr Verkehrssicherheit und Umweltschutz leisten – das ist das Ziel von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Bergischen Universität im Forschungsvorhaben „SmartACC“, das mit Beginn des Jahres gestartet ist. Das Projekt „Intelligente Steuerung für sichere Straßen: Entwicklung und Erprobung fortgeschrittener adaptiver Abstands- und Geschwindigkeitsregelungssysteme“ wird für zwei Jahre mit rund 285.000 Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Tempomat einstellen und dann: freie Fahrt voraus?! Abstands- und Geschwindigkeitsregelsysteme (engl. ACC-Systeme, Adaptive Cruise Control) gehören heute zur Standardausstattung von Fahrzeugen. Auf ihren Sensoren lastet die Hoffnung, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, indem sie den Einfluss menschlichen Fehlverhaltens wie Ablenkung am Steuer oder das Treffen unüberlegter Entscheidungen reduzieren. Ebenso verlockend ist die Vorstellung, dass computergestützte Systeme zum Heilsbringer gegen lästige Staus werden.
In der Vergangenheit durchgeführte Experimente mit hintereinander herfahrenden Fahrzeugen im Assistenzmodus verdeutlichen jedoch, dass derzeit eingesetzte ACC-Systeme hinter diesen Erwartungen zurückbleiben. Das Problem: durch zeitliche Verzögerungen in der Signalübertragung sind sie nicht ausreichend reaktionsfähig, um die Abstände zwischen sich groß genug zu halten und so Tempowechsel im Fluss auszugleichen.
Nach einiger Zeit stockt der Verkehr im Experiment auf der Rundstrecke, das Kollektiv von Fahrzeugen wird instabil. Die Folge: Stop-and-Go-Wellen, die schließlich zu Staus ausreifen; im Versuch sind die sogar noch massiver als im normalen Straßenverkehr. Für den Weg hin zu komplett autonomen Technologien, die uns vor Unfällen und Stillstand schützen, braucht es bessere Systeme.
Unsichere Faktoren in den Griff bekommen
Hier setzen die Forschenden vom Lehrstuhl für Verkehrssicherheit und Zuverlässigkeit der Bergischen Uni an: Prof. Antoine Tordeux und Mitarbeiter Dr. Raphael Korbmacher arbeiten im Projekt „SmartACC“ an neuen, robusten Algorithmen – eindeutigen Vorschriften also für die mathematischen Modelle, auf deren Basis ACC-Systeme agieren. „Die Grundidee hinter der Weiterentwicklung der Modelle ist“, erklärt Tordeux, „dass die konstante Einhaltung einer Zeitlücke zwischen den Fahrzeugen das Verkehrssystem stabil hält.“
Die Strategie als solche ist nicht neu (siehe Infobox „Technik & Strategie“), allerdings gehen die Wuppertaler Forschenden nun den Schritt weiter, Modelle im Sinne einer „sich anpassenden Zeitlücke“ zu entwickeln, die gegenüber verschiedenen relevanten Einflüssen standhaft sind. Neben dem Faktor Reaktionszeit gilt dabei als besonders herausfordernd die Berücksichtigung mehr oder minder zufälliger, nicht immer planbarer Ereignisse wie beispielsweise im Fall des Wetters, wenn dichtes Schneetreiben die Sensortechnik stört. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen dabei vom stochastischen Rauschen.
Tests mit 40 Mini-Autos
Um ein besseres Verständnis von der Zusammenwirkung dieser Einflüsse zu erlangen, arbeiten die Forschenden einerseits mit Simulationen am Computer. Das erlaubt ihnen die immer präzisere Einstellung der Algorithmen. Darüber hinaus wollen sie zur Überprüfung der neuen Modelle ebenfalls Experimente starten – mit bis zu 40 vom Algorithmus gesteuerten Mini-Autos. „Diese fahren dann im besten Fall viel länger störungsfrei, als das bei vorherigen Experimenten der Fall war“, resümiert Korbmacher.
Schließlich wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich und weitere Probandinnen und Probanden in den Fahrsimulator setzen und mit Unterstützung einer Virtual Reality-Anwendung testen, ob die entwickelten Algorithmen auch beim nicht ganz unwichtigen Thema Fahrkomfort mithalten können – also nicht dazu führen, dass das Fahrzeug zu stark beschleunigt, um dann wieder abrupt abzubremsen.
Entpuppt sich die Forschung als erfolgreich, wäre das ein Hinweis darauf, wie autonomes Fahren zukünftig zu mehr Sicherheit und Wohlbefinden beitragen kann. „Auf der Straße könnten mithilfe der optimierten Systeme Auffahrunfälle besser vermieden werden. Durch das Ausbleiben von Staus hätten alle Beteiligten mehr Zeit und würden zugleich noch der Umwelt dienen. Denn weniger Brems- und Beschleunigungszyklen im stockenden Verkehr bedeuten weniger Kraftstoffverbrauch“, so Korbmacher.