Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Öffentlich-gebrechliches Fernsehen

Wuppertal · Früher gab es noch richtig nette Werbefiguren: Frau Antje, Klementine oder Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer. Alles vorbei: Klementine ist tot, Herr-Kaiser-Darsteller Nick Wilder hat längst als Schiffsarzt auf dem Traumschiff angeheuert und Frau Antje ist vermutlich vom holländischen Rechtspopulisten Geert Wilders aus dem deutschen Fernsehen entfernt worden, weil der keinen Käse mehr an Ausländer verkaufen will.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Diese Sympathieträger werden allerdings auch gar nicht mehr benötigt, weil im Vorabendprogramm der öffentlich-gebrechlichen Sender ausschließlich Werbung für eine Zielgruppe läuft, die entweder unmittelbar vor dem Abnippeln steht oder auf dem Weg dahin juckende Haut hat. Deshalb gibt es jetzt Figuren wie den Linola-Fettbär. Dieses auf den Namen "Lino" getaufte, übellaunige blaue Strichmännchen kratzt sich vor der "Tagesschau" so lange im Schritt, bis Linola-Creme Linderung bringt.

Das ist nicht schön. Genau wie der Rest der Vorabendreklame zwischen SOKO Wien, SOKO Wismar und demnächst wahrscheinlich auch SOKO Wichlinghausen, die beim bloßen Zuschauen exakt jene Krankheiten auslösen kann, gegen die hier nonstop tolle Mittel empfohlen werden. Zum Beispiel Kijimea, das gegen Blähungen, Verstopfungen und Durchfall gleichzeitig hilft, obwohl es sich dabei ja um durchaus unterschiedliche Aggregatzustände des Reizdarminhalts handelt.

Noch wundertätiger ist aber Voltaren forte. Der flächendeckende Bestrich mit diesem Schmerzgel verwandelt im TV-Spot eine immobile Oma zum Erstaunen der Enkelkinder in eine Art Flummi mit grauen Haaren und lässt sie herumhüpfen wie ein Känguru. Der letzte, der sowas bewirken konnte, hatte keine Risiken und Nebenwirkungen, sondern einen Bart, Latschen und eine Dornenkrone. Gegen die von den Stacheln ausgelösten 37 Arten von Kopfschmerzen hätte Jesus übrigens eine Thomapyrin nehmen können. Die hilft gegen alles.

Wenn man mal bewusst hinschaut, dann erkennt man auch, dass sich die verschiedenen Siechtums-TV-Spots geschickt gegenseitig befruchten. Wenn der dank Voltaren plus für bis zu zwölf Stunden aufgeblühten Oma beim Twist tanzen das Gebiss rausfällt, braucht sie das im nächsten Clip vorgestellte Protefix für sicheren Sitz der dritten Zähne. Mit bombenfester Prothese und ein paar Kapseln Vitasprint voller neuer Energie für Körper und Geist kann sie dann auch wieder auf die Piste gehen und im Altenheim Opas aufreißen.

Das klappt wahrscheinlich noch besser, wenn sie auch zu den parallel beworbenen Gracia-Schlankheitstropfen aus der Apotheke und der Hyaluron-Tagespflegecreme greift, die ausweislich der TV-Animation ähnlich glättende Wirkung hat wie die aktuell am Döppersberg tätigen Dampfwalzen.

Sollte es Oma beim Tanzen mit den Spreizschritten übertreiben, kümmert sich eine Lady namens Tena darum, dass die Inkontinenz be- und damit die Contenance gewahrt wird. So kommt es dann vielleicht doch noch zur gemeinsamen Nacht, bei der Opa dank prostagutt forte hoffentlich nie mehr müssen muss. Sonst braucht Oma hoggar night, um in den Schlaf zu kommen. Hat sie sich bei Opa ein paar Viren eingefangen, empfiehlt das Werbefernsehen boxagrippal mit Vierfach-Wirkung.

Und bei ganz schlimmem Husten kennt Mucosolvan die Ursache und zeigt sie auch gleich in Form lustiger Comicfiguren: die Schleimmonster!

Kann ich bitte wenigstens Frau Antje wiederhaben? Sonst schaff' ich das morgen nicht mehr bis zu den "heute"-Nachrichten ...

Bis die Tage!