Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Schaschlik-Christbaumkugel

Wuppertal · Wir haben neue Nachbarn. Sie wohnen in einem Vorgarten nicht weit von uns und scheinen nett zu sein. Immerhin liegen sie sich den ganzen Tag in den Armen und strahlen um die Wette, weil sie von innen beleuchtet sind.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Es handelt sich um einen Schneemann und einen Nikolaus in der Größe der Freiheitsstatue. Ob die früher in dem Haus hinter ihnen heimischen Menschen noch da leben, wissen wir allerdings nicht. Das Haus ist von der Straße aus nicht mehr auszumachen.

Die Dimensionen der Weihnachtsdekoration sprengen ja auch bei uns inzwischen jede Vorstellungskraft. Wahrscheinlich hat es irgendwann eine gesetzliche Neuregelung gegeben: Wer zum Stichtag 1. Advent nicht mindestens hundert Meter LED-Lichterkette mit drei elektronisch Funkel-Modi in 18 Farbtönen um sein Balkongeländer gewickelt hat, verliert automatisch den Anspruch auf Weihnachtsgeschenke. Wuppertal sieht deshalb bis Weihnachten nachts aus dem Flugzeug betrachtet aus wie Las Vegas mit Hügeln. Das passt, weil wir auch ähnlich viele Spielhallen haben.

Weihnachtsmann und Christkind müssen demnächst mit Sonnenbrille zur Bescherung kommen, um nicht geblendet zu werden. Dort erleiden sie den nächsten Schock, wenn sie auf modernen Weihnachtsbaumschmuck treffen. Früher war der bundeseinheitlich schlicht und festlich: Die häuslichen Deko-Stabsabteilungen mussten sich im Wesentlichen zwischen echten oder elektrischen Kerzen, den Farbvarianten Silber, Gold oder Bordeauxrot und für oder gegen Lametta entscheiden.

Durch die beliebten Fernsehformate, in denen handelsübliche Wohnungen innerhalb weniger Tage in eine Art Inneneinrichtungswunderland verwandelt werden, hat aber eine Entwicklung eingesetzt, angesichts derer man mit konventionellem Baumschmuck ins gesellschaftliche Abseits zu geraten droht. Man könnte von einer Tinewittlerisierung des Weihnachtsfestes sprechen, die sich rund um den Tannenbaum besonders manifestiert. Zur hippen Bescherung hängt man keine klassischen Weihnachtskugeln mehr in die Äste, sondern kontrastiert das Grün mit Deko-Artikeln in trendstarken Farben aus dem Lifestyle-Segment.

Ein Fall für die Weihnachtsbaumpolizei ist allerdings das, was ich jetzt ich jetzt in einem Online-Shop gesehen habe: Da gibt es 74 Artikel unter dem Begriff "Lustige Weihnachtskugeln", bei deren Betrachtung sich jeder traditionsbewusste Weihnachtsengel aus Protest die Flügel abschnallen und zum Arbeitsamt gehen wird. Angeboten werden zum Beispiel ein Fön, ein Bagger oder ein Staubsauger aus Glas. Typisch weihnachtliche Accessoires, die man sich schon immer mal nicht in den Baum hängen wollte. Sie können aber auch für 6,79 Euro plus Versand ein Pizzastück aus Glas kaufen. Oder Spiegeleier-Schmuck. Der kostet aber einen Euro mehr, weil Speck dabei ist.

Wer seine Geschenke unter einen mit einschlägigen Fleischspezialitäten geschmückten Baum legen will, kommt auch zurecht: Der Schaschlikspieß aus Glas kostet mit 17,99 Euro allerdings deutlich mehr als in der Pommesbude. Günstiger kommt man mit der Rinderhack-Frikadelle weg, deren Glasversion medium gegrillt wurde, was sie im mittleren Bereich stimmungsvoll weihnachtlich-rötlich schimmern lässt.

Sollten Sie ihre kleinen Kinder dieses Jahr mit Ballerspielen oder Horrorfilmen beschenken wollen, können Sie das besinnliche Ensemble mit drei anderen Verkaufsschlagern aus dem Online-Christbaumkugel-Sortiment abrunden: Da hätten wir noch den stilechten Kampfpanzer aus Glas, eine Kettensäge und ein Hackebeil.

Und so schließe ich mit der leicht modifizierten ersten Strophe eines großen Weihnachtslied-Klassikers:

Am Weihnachtsbaume
die Lichtlein brennen,
wie glänzt er festlich, lieb und mild,
darunter tut das Büblein flennen,
es hat den Weihnachtsmann gekillt ...

Bis die Tage!