Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Station Wuppertal Hbf

Wuppertal · Wildfremde Menschen liegen sich in den Armen: Die Deutsche Bahn hat in Elberfeld ein Baustellenschild errichtet, auf dem sie die "Revitalisierung der Station Wuppertal Hbf" ankündigt. "Station Wuppertal Hbf" klingt zwar ein bisschen nach einem hölzernen Wartehäuschen mit Gleisanschluss im hinteren Vorpommern, aber sehr viel mehr Infrastruktur als da ist ja bei uns auch gar nicht vorhanden.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Bei näherem Hinsehen brechen die wildfremden Menschen dann allerdings in Tränen aus: Das Schild hat zwar etwa die Größe der Anzeigetafeln im Olympiastadion von Rio und trägt stolz die bedeutenden Wappen der Bundesrepublik Deutschland, des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr, enttäuscht aber im Kleingedruckten. Denn das kündigt lediglich den ersten Bauabschnitt an, der aus der bomfortionellen Modernisierung von zwei Treppen und dem Einbau eines Aufzugs am Gleis 2 besteht.

Hurra, die Bundesrepublik modernisiert für uns zwei Treppen! Vor meinem geistigen Auge sehe ich Angela Merkel im Blaumann vor mir, die mit einer Kelle Speis in der Hand abgebrochene Trittkanten an der schmärigen Stiege rauf zu Gleis 4 begradigt. Möglicherweise bekommt sie ja arrondierend auch noch Mitleid und befiehlt einen Inlandseinsatz der Bundeswehr, die älteren Fahrgästen als Ersatz für die grob geschätzt seit dem Pleistozän nicht mehr funktionierenden Kofferbänder das Gepäck zum Zug bringen könnte.

Bei zwei Treppen und einem Aufzug würde ich nicht von Revitalisierung sprechen, sondern von Nahverkehrs-Palliativmedizin. Sie führt dazu, dass wir demnächst bequemer auf Deutschlands beschissenste Bahnsteige kommen, von denen aus wir weiterhin Europas hässlichste Bahnhofsrückseite angucken können, hinter deren Fassade schon seit geraumer Zeit keinerlei Leben mehr existiert, das man revitalisieren könnte. Das ist ungefähr so, als hätte man im Mittelalter einem Pestkranken Nivea-Creme draufgeschmiert.

Wir reden hier in Wirklichkeit über eine im Sterben liegende Bahnhofshalle, die schnellstens ein ÖPNV-Operationsteam bräuchte, aber offensichtlich nicht krankenversichert ist. Deshalb bleibt sie bis zur Klärung der Kostenübernahme im künstlichen Koma, das mindestens bis 2018 dauert. Wer genau warum daran auf gar keinen Fall Schuld ist, muss unbedingt noch geklärt werden.

Dass das Schild für eine so winzige Maßnahme so groß sein muss, hat natürlich einen Grund. Bei der Bahn sind nämlich so viele Abteilungen für die zwei Treppen zuständig, dass man die Liste auch gut ans Sparkassenhochhaus hätte hängen können. Wir begrüßen also in Wuppertal als Bauherren das Bahnhofsmanagement Düsseldorf der am Konrad Adenauer Platz ansässigen DB Station&Service AG, als Bauherrenvertretung die an der Düsseldorfer Willi-Becker-Allee residierende DB Station&Service AG, als Projektleitung die DB Station&Service AG aus der Duisburger Tonhallenstraße und für die Bauüberwachung die DB Engineering & Consulting GmBH aus der Zufuhrstraße in Neuss.

Ob im Umland noch irgendwelche Immobilien existieren, in denen keine Servicegesellschaften der Deutschen Bahn als Mieter wohnen, erscheint fraglich. Das macht jedenfalls rechnerisch 1,3 Periode Abteilungen pro Treppe und Aufzug — und mich schon im Hinblick auf dieses Kleinstprojekt insgesamt nicht wirklich zuversichtlich.

Tröstlich ist nur, dass es bei der Bahn Realismus gibt. Auf dem Schild steht nämlich auch, dass eine Projektversicherung bei der Deutschen Verkehrs-Assekuranz-Vermittlungs GmbH abgeschlossen wurde ...

Bis die Tage!