Kommentar zum Thema Wohnraum Da brennt eine Lunte

Wuppertal · Wer aktuelle Studien darüber liest, was (vor allem jüngere) Menschen in Deutschland bewegt, erkennt: Eine große Sorge ist das Fehlen ausreichenden und bezahlbaren (!) Wohnraumes.

Symbolbild.

Foto: Alfred Derks

Bei der Jahresbilanzpressekonferenz der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Wuppertal (GWG), der größten Vermieterin der Stadt, hat deren Geschäftsführer Oliver Zier jetzt diesen Aspekt voller sozialem Sprengstoff-Potenzial angesprochen – und Gründe dafür benannt.

Das Thema, auf das viele Experten längst aufmerksam machten, ist politisch verschlafen, ja sogar verdrängt worden. Niemand, der Mehrheits-Einfluss gehabt hätte, sorgte dafür, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Herstellen bezahlbaren Wohnraumes großflächig möglich und lohnend machen. Auch in Wuppertal kann ich mich vor allem an Wort- und Planungsgefechte der großen Parteien wegen der Ausweisung von Bauland für Ein- oder Zweifamilienhäuser erinnern. Solche Häuser lösen aber keine Wohnungsprobleme.

Jetzt liegt das Kind entweder schon im Brunnen oder zappelt sehr nahe am Rand. Kurz gesagt: Wenn es sich angesichts der Kostensituation im Bau nicht mehr lohnt, neue Immobilien zur Vermietung an Normalverdiener oder auch Menschen, die weniger Einkommen haben, herzustellen, dann brennt eine Lunte am Pulverfass. Und dieses Pulverfass trägt die Aufschrift „Spaltung der Gesellschaft“.

Ein weiterer Grund, den Oliver Zier anführte, macht zusätzlich nachdenklich: Überregulierung bis ins letzte Detail und ein offenbar wildwüchsiger Normen-Dschungel machen das Bauen sehr zeitraubend – und überteuern es.

Ein Beispiel aus der GWG-Pressekonferenz-Präsentation: Umfasste die Abwicklung eines Bauprojektes im Jahr 2000 noch „nur“ zehn Zuständigkeiten, sind es 2023 schon 23 (!) gewesen. Das schreckt ab. Was unter dem Druck dieser Normen und Regeln entsteht, ist schlicht nicht mehr zu den Kosten, die verursacht wurden, vermietbar. Da lässt man es doch. Die Folgen für unser soziales Gefüge sind hochproblematisch.

Und von Fördermitteln, mit denen der Bau sozialen beziehungsweise „normal“ bezahlbaren Wohnraumes kräftig unterstützt würde, ist wenig zu sehen. Wir müssen ja unbedingt sparen! Da ist es wieder, das von mir stets heftig kritisierte Mantra der „schwarzen Null“, die die Haushalte angeblich alleine retten kann.

Wenn aber ein Riss entsteht zwischen Menschen, die sich Wohnen, so wie sie es wollen, leisten können, und denen, für die das nicht mehr drin ist – dann ist eine „schwarze Null“ keinen Cent wert.

Aber: Woher kommen all Regularien und Normen, die das Bauen verteuern? Von Menschen, die sie im Auftrag des „Gesetzgebers“ so machen. Dahinter steckt wohl jenes (typisch deutsche?) Sicherheits- und Absicherungsdenken, das vor ein paar Jahren auch fast zum Ende des Trassen-Steingartens am Loher Bahnhof geführt hätte. Weil Steinchen dieses Gartens auf den Fußgängerbereich der Trasse zu rollen „drohten“. Jüngstes Beispiel ist der unbegreifliche Vorgang um den sieben Zentimeter zu „großen“ Bäckerei-Brotautomaten an der Friedrich-Ebert-Straße.

Beim Trassen-Steingarten hat sich der damalige Oberbürgermeister Andreas Mucke erfolgreich eingemischt und den (aus der Verwaltung stammenden) Irrwitz verhindert. Beim Brotautomaten war es jetzt Stadtdirektor Matthias Nocke.

Klar: Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Klimaschutz müssen beim Bauen selbstverständlich sein. Aber auch, dass Wirklichkeit und gesellschaftliche Verträglichkeit nicht aus dem Blick geraten.