Diskussion in der Politischen Runde Polizeipräsident Röhrl: „Es geht rauer zu auf den Straßen“

Wuppertal · Kontrovers, kritisch und kriminologisch: Die Politische Runde der VHS widmete sich am vergangenen Montag dem aktuell heiß diskutierten Thema Messerkriminalität.

Politische-Runde-Moderatorin Riem Karsoua im Gespräch mit Wuppertals Polizeipräsident Markus Röhrl und (im Hintergrund) dem aus Zürich zugeschalteten Kriminologen Professor Dirk Baier.

Foto: VHS/Jan Kirschbaum

Zu Gast bei Moderatorin Riem Karsoua waren Wuppertals Polizeipräsident Markus Röhrl und der aus Zürich zugeschaltete Kriminologie-Professor Dirk Baier. Beide lieferten dem zahlreich erschienenen Publikum Einschätzungen, Zahlen und Bewertungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Für Polizei-Chef Röhrl zeigt die NRW-Kriminalstatistik einen klaren Anstieg der Messer- beziehungsweise Gewaltkriminalität, die während der Corona-Phase drastisch gesunken war. Und, so Röhrl, die Zahlen für das Jahr 2024, die öffentlich erst in Kürze vorgestellt werden, seien nochmals nach oben gegangen.

Kriminologe Baier findet Kriminalstatistiken zwar wichtig, mahnt aber zum Realismus: „Die Zahlen müssen uns schon ein wenig Sorgen machen, aber explodiert ist nicht etwa die Messerkriminalität, sondern die Berichterstattung darüber.“ Seine Kritik: In Sachen Kriminalstatistiken sei es klüger, nicht nur das Vorjahr, sondern aussagekäftigere Zeiträume von etwa fünf Jahren in den Blick zu nehmen. Richtig sei aber: „Es geht rauer zu auf den Straßen. Nicht nur mit Messern.“

Markus Röhrl formulierte aus seiner Sicht eine Frage: „Wer sind denn die Täter, die uns die größten Sorgen machen?“ Und gab die Antwort: „50 Prozent derjenigen, die Messer als Tatwerkzeuge einsetzen, haben keine deutsche Nationalität. Und ein großer Teil der anderen 50 Prozent sind junge Männer mit Migrationshintergrund. Wie können wir diese Leute auf die richtige Bahn bringen? Das Problem muss man klar benennen.“

Röhrl schlug den Bogen noch weiter: „Nicht die Nationalität ist das Problem, sondern der Kulturkreis. Wie gelingt es uns, Menschen, die ein anderes Kulturverständnis haben, sich nicht mit der Gesellschaft identifizieren, für unsere Gesellschaft zu gewinnen? Dazu braucht man viel Geld und viele Menschen.“

Apropos Menschen. Markus Röhrl lieferte auf Nachfrage aus dem Publikum ein interessantes Detail, das auch mit dem Gefühl der Sicherheit im öffentlichen Raum in Verbindung steht: Zwar sei die Personalausstattung der Polizei in der Vergangenheit deutlich gestiegen. Aber: „Das Personal, das man auf der Straße sieht, ist nicht gewachsen.“

Professor Baier, dem wichtig ist, dass „es nichts bringt, etwas bestimmten Nationalitäten in die Schuhe zu schieben“, setzt auf Aufklärung, Aktionen in Schulen und das „Dranbleiben an allen, die schon mit Messern erwischt wurden“ – etwa mit dem NRW-Programm „Kurve kriegen“.

Und auch für ihn steht fest: „Es braucht Menschen. Wir müssen über die Männlichkeitsorientierung in paternalistischen Gesellschaften, die von fragwürdigen Vorbildern in sozialen Medien forciert wird, reden. Und das muss weit vor der Arbeit der Polizei beginnen. Die Polizei allein kann das Problem nicht lösen.“

Was die Polizei in Sachen sogenannter Intensivtäter tut, beschrieb Markus Röhrl: Etwa 100 davon im Alter zwischen 15 und 30 Jahren kennt man vor Ort, hat sie im Blick, beobachtet sie. Der Polizeipräsident favorisiert eine Doppelstrategie aus Gefängnisstrafen und Prävention. Und verschweigt nicht: „Wir können vielleicht zehn dieser Leute in bestimmte Programme aufnehmen. Da geht es um jahrelange Arbeit, auch zusammen mit Eltern und Familien.“

Nach einer intensiven Schlussphase mit vielen kontroversen Positionen und Fragen des Publikums blieben einige Eckpunkte im Gedächtnis. Polizeipräsident Markus Röhrl legte Wert darauf, dass das Thema Messerkriminalität sich zum sehr überwiegenden Teil nur innerhalb bestimmter Gruppen abspielt. Wer „einfach so“ auf dem Nachhauseweg vom Kino oder Theater sei, sei mit verschwindend geringer Wahrscheinlichkeit davon bedroht.

Und auch Hotspots, an denen Videoüberwachung angezeigt sei, gebe es nicht in Wuppertal. Röhrl formulierte die Hoffnung, dieses spezielle Kriminalitätsphänomen in ein bis zwei Jahren „auf ein Normalmaß zu drücken“. Mit einer Mischung verschiedener Maßnahmen, zu denen auch der Sektor Prävention, etwa durch Streetworker, zählt.

Professor Dirk Beier verspricht sich nicht viel von Waffenverbotszonen. Deutlich mehr dagegen von der Beschäftigung mit den psychischen Auffälligkeiten, den Alkohol- und Drogenproblemen sowie den Opfererfahrungen der Täter. Und er sagt: „50 Prozent der Messerkriminalität sind häuslich.“