Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Siesta machen

Wuppertal · Ein Vorschlag aus dem politischen Raum hat mich diese Woche wirklich aufgerüttelt: Gesundheitsminister Karl Lauterbach will, dass wir bei Hitze in Deutschland künftig alle eine Siesta machen.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Nun ist ja Lauterbach selbst ausweislich seines Temperaments und seiner Ausstrahlung der Fleisch gewordene Mittagsschlaf, so dass dieser Vorstoß nicht überraschend kommt. Für seine Umsetzung fehlt uns allerdings im Moment vor allem die Hitze. Ich persönlich sehe mich bei 17 Grad und leichtem Nieselregen auch gegen Mittag durchaus noch in der Lage, diese Zeilen zu schreiben, ohne dabei zu dehydrieren.

Das wird sich ausweislich des Wetterberichts übrigens auch nächste Woche nicht ändern. Manchmal habe ich den Verdacht, dass Petrus uns den Sommer absichtlich abschaltet, sobald wir zu viel über Hitze quengeln. Und schon haben wir den Salat: Jetzt sitzen die Bademeister traurig in gähnend leeren Freibädern und würden sich sogar über vier oder fünf jugendliche Besucher freuen, die nur kommen, um sich gegenseitig zu verkloppen.

Am Mittelmeer ist die Lage ganz anders. Viele gehen dort jetzt in Pizzaöfen, um sich etwas abzukühlen, und machen dann von 11 bis 17 Uhr Siesta. Wann eigentlich gearbeitet wird, bleibt letztlich rätselhaft. Mit Blick auf die deutsche Strebsamkeit bezweifle ich daher, dass sich die Work-Sleep-Balance bei uns auch durchsetzen wird.

Den ganzen Tag Siesta machen können allerdings jetzt mal wieder die Bauarbeiter in der Elberfelder City, nachdem sie ein paar weitere Bröckchen der mittelalterlichen Burg freigelegt haben. Außer den Archäologen, die jetzt völlig aus dem Häuschen sind, wussten wir alle, dass sie da liegen und ausweislich des Fotos oben rechts auf dieser Seite frühere Rohrverleger nicht weiter interessiert haben, weshalb die mit ihren Arbeiten auch noch vor der Verrentung fertig wurden.

Heutzutage jedoch müssen die Klötzchen von Anno Tuck im Sinne der Geschichtsforschung auch an dieser Stelle wieder ausgiebig fotografiert, gezeichnet, gescannt, abgepaust, geröntgt, vermessen, gestreichelt und mit Kosenamen ausgestattet werden, während die Bagger und ihre Führer Siesta machen. Der bisher noch existente, ehrgeizige Plan, die Bauarbeiten quasi im Handstreich schon 2034 zu beenden, und damit nur drei Jahre nach der Bundesgartenschau wieder eine Fußgängerzone in Wuppertal zu haben, dürfte dadurch leider hinfällig sein.

Vielleicht sollten wir mal darüber nachdenken, ob es nicht unkomplizierter wäre, statt der Innenstadt einfach die Burg wieder aufzubauen. Und zwar ganz vorsichtig um die Verkaufswagen am Neumarkt herum, weil die offensichtlich unter noch größerem Denkmalschutz stehen als die Steine im Boden. Diese Woche hat der Vorsitzende der Marktgemeinschaft folgenden Satz geschrieben: „Der Wochenmarkt auf dem Neumarkt ist nach wie vor ein Magnet in der Innenstadt, der viele Kunden, aber auch Touristen anzieht.“

Wer kennt sie nicht, die sonnenbehüteten Menschenmassen aus aller Damen und Herren Länder, die täglich mit Kameras vor dem Bauch am Döppersberg aus Bussen, Bahnen und Kreuzfahrtschiffen strömen und an der Touristeninformation fragen: „Wie kommen wir denn zum weltberühmten Neumarkt mit seinem Würstchenstand und dem geschlossenen Klo unter der Erde?“ Und umweht Elberfeld nicht immer wieder internationales Flair, wenn sich Mitglieder großer japanischer Reisegruppen ehrfurchtsvoll vor dem Asia-Imbisswagen verneigen, der den Jubiläumsbrunnen so erfolgreich verdeckt?

Ich schreibe mich gerade richtig schön in Rage, aber jetzt ist Schluss. Die Sonne kommt raus, ich muss wohl Siesta machen ...

Bis die Tage!