In den Tiefen der Vertragsunterlagen entdeckte ich dabei überraschend innerhalb unseres Festnetzanschlusses eine zweite Telefonleitung. Sie muss noch aus den prähistorischen Zeiten stammen, als diese Glosse per Fax aus einem damals noch Wohn-Schlafzimmer genannten Homeoffice an die Redaktion geschickt wurde. Ohne weiter auszurechnen, wie viele Euro durch diese überflüssige Leitung in den vergangenen Jahrzehnten abgeflossen sind, machte ich mich an die Kündigung des Telekommunikations-Fossils und rief dazu die Homepage des Anbieters auf.
Dort machte sich eine künstliche Intelligenzbestie namens Tobi in kumpelhaftem Umgangston anheischig, mein Problem per Chat zu erledigen. Leider hatte man aber vergessen, Tobi auch das Kundenanliegen „Kündigung einer zweiten Telefonleitung im Festnetzanschluss“ beizubringen. Wahrscheinlich, weil außer mir sowieso nur noch Verstorbene, die nicht rechtzeitig gekündigt haben, einen Festnetz-Anschluss besitzen.
Nachdem Tobi mir nicht weiterhelfen konnte, bot er aber immerhin geistesgegenwärtig an: „Möchtest du von uns angerufen werden, um das Problem zu lösen?“ Das fand ich mitten am Sonntag ebenso beachtlich wie die Tatsache, dass tatsächlich Augenblicke später mein Telefon klingelte. Es meldete sich allerdings ein Kollege von Tobi, der ebenfalls nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Algorithmen war, und mir mit künstlich verfröhlichter Roboter-Stimme vielfältige Fragen stellte, die alle rein gar nichts mit meinem Anliegen zu tun hatten.
Am Ende des minutenlangen Verhörs deutete sich dann aber überraschend die Möglichkeit an, nunmehr tatsächlich mit einem richtigen lebendigen humanoiden Mitarbeiter verbunden zu werden. Jedenfalls ertönte das gute alte Freizeichen, das aus unerfindlichen Gründen alle digitalen Revolutionen überstanden hat. Dann aber kam ein Klick – und die blecherne Ansage: „Sie rufen leider außerhalb unserer Geschäftszeiten an ...“
Das war etwas enttäuschend, zumal ja nicht ich die angerufen hatte, sondern die mich. Im Ergebnis blieb mir aber nichts anderes übrig, als mein Begehren montags noch einmal bei menschlichem Personal vorzutragen. Selbiges erreichte ich nach Eingabe mehrerer Pins, Kennwörter und Schuhgrößen zur Identitätsüberprüfung ausweislich der Leitungsqualität irgendwo in der äußeren Mongolei oder auf der dunklen Seite des Mondes. Den wenigen Auskunftsfetzen in möglicherweise deutscher Sprache konnte man entnehmen, dass ich wohl mit der Störungsabteilung verbunden war, mein Anliegen aber ein Fall für die Vertragsabteilung sei, an die man mich weiterleiten werde.
Das klappte gut. Sie war sogar mit einem Mann besetzt, der meinen Wunsch nachvollziehen konnte und einen gewissen Umsetzungswillen zu erkennen gab. Natürlich nicht, ohne mich vorher über die erheblichen Einsparpotenziale aufzuklären, die in meinen Vertragskonstrukten stecken und die ich beim Einsatz fantastischer neuer Hardware fortens heben könne.
Als ich das zuletzt versucht habe, hatte ich am Ende eine ähnliche Glosse wie heute und eine Woche lang kein Telefon, kein Internet und nur drei Fernsehprogramme aus Bulgarien. Deshalb wehrte ich alle Angebote entschieden ab und wurde schließlich mit der guten Nachricht beglückt, dass meine zweite Telefonleitung nunmehr wie gewünscht gekündigt werde. Eine entsprechende Mitteilung folge sofort.
Kurz darauf bekam ich tatsächlich eine SMS von den Tränen mit der Träne. Inhalt: „Guten Tag, ihre bestellten Produkte wurden aktiviert und sind sofort einsatzbereit!“ Na also, geht doch ...
Bis die Tage!