Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Playback-Karte

Wuppertal · Sie kennen das sicher auch: Selbst wenn man nur schnell im Vorbeigehen irgendwo ein paar Socken oder einen Schraubenzieher kauft, wird man automatisch gefragt: „Haben Sie unsere Kundenkarte?“

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Die korrekte Antwort darauf ist „nein“, weil man sonst permanent mit einem Stapel Plastikkarten in der Dicke eines durchschnittlichen Rommé-Spiels durch die Gegend laufen müsste. Der negative Bescheid wird allerdings in der Regel nicht hingenommen, sondern mit dem Angebot gekontert, ob man nicht eine haben wolle. Immerhin könne man damit schon auf den aktuellen Einkauf sofort 0,1 Prozent Rabatt und fürderhin täglich interessante Mails zu Sonderaktionen für Produkte bekommen, die man immer schon mal nicht kaufen wollte.

Wer an dieser Stelle noch standhaft bleibt, wird sich bei nächster Gelegenheit mit der digitalen Version dieser modernen Einkaufsbegleiterscheinung auseinandersetzen müssen. Selbst beim Erwerb von zwei Zwiebeln und einer Knoblauchknolle drängt sich nämlich neuerdings die Frage auf: „Haben Sie die App?“

Auch dabei geht es natürlich um kolossale Vergünstigungen, die murkeligen analogen Kunden nicht zuteil werden – sowie die Übermittlung von zum Einkaufsverhalten passenden Verbraucherinformationen. Dem Käufer der beiden Zwiebeln und des Knoblauchs wird wenige Stunden später wahrscheinlich per Smartphone der Vorteilspack Mundwasser angeboten und am nächsten Tag ein revolutionäres Mittel gegen Sodbrennen empfohlen.

Auch in manchen Restaurants bestellt man inzwischen nicht mehr beim Personal, sondern mit dem Smartphone per App. Für die Lokale hat das den Vorteil, dass die Anforderungen an die auf dem Arbeitsmarkt bekanntlich nur noch mit dem Elektronenmikroskop zu findenden Servicekräfte auf ein Minimum sinken. Sie müssen im Prinzip nur noch Zahlen lesen können, um dann Teller zum richtigen Tisch zu tragen.

Neulich saßen wir in Oldenburg in einem angeblich original spanischen Tapas-Restaurant, das erstaunlicherweise genau nach diesem digitalen Modell funktionierte, obwohl ich auf der iberischen Halbinsel bisher eigentlich immer analog gegessen habe. Auch nicht ganz original war die Soße auf den scharfen Kartoffeln, die nicht wie üblich frisch-pikant, sondern nach einer Art brauner Schuhcreme schmeckte. Wir brachten diesen Mangel einem Kellner zur Kenntnis, der in einer uns unbekannten Sprache freudestrahlend darauf reagierte und uns wenige Augenblicke später eine Extraportion braune Soße brachte ...

Daran sieht man, dass Arbeitnehmer nicht in allen Fällen mit der Digitalisierung Schritt halten. Dazu passt folgendes Erlebnis, das ein Leser jetzt beim Bezahlen im Supermarkt hatte. Auch dort fragte die etwas ältere Kassiererin dienstbeflissen bei allen Kunden nach – und zwar: „Haben Sie die Playback-Karte?“ Sie muss da wohl bei der Schulung irgendwas falsch verstanden oder zu oft die „Schlagernacht der Stars“ geguckt haben ...

Bis die Tage!