Aus dem Tagebuch der Redaktion Wahn, überall Wahn!

Wenn man regelmäßig aus dem Tagebuch der Redaktion plaudert, habe ich mir gedacht, ist das eigentlich ein Pflichttermin: Theater am Engelsgarten, Nikolai Gogol, "Aus dem Tagebuch eines Wahnsinnigen".

Rundschau-Redaktionsleiter Hendrik Walder.

Foto: Bettina Osswald

Da fühlt man sich doch gleich persönlich angesprochen, vermutlich wird Gogol den bemitleidenswerten Alltag eines Journalisten zum Gegenstand eines einfühlsamen Theaterstücks gemacht haben.

Das Thema ist uns ja quasi auf den Leib geschrieben, wo doch der Irrsinn in all seinen Schattierungen zum täglichen Redaktionsgeschehen gehört. Als Beleg reicht ein Griff in mein persönliches Leserbrief-Archiv.

"In Minderwahlausweisung sind unter dem Mehrheitsbeschluss diese Wahrheitswahlen zum Wahlbetrug ausgewiesen!" schreibt uns beispielsweise Veit R. im September 2004. Und droht einer "TV-Gebührenbedarfsstelle": "Sollten die Gebührenerhöhungen ohne des TV-Sehers Willens erfolgen, müssen Sie mit einem Amtsmissbrauchsstrafantrag in Ausweisung (Volksverarmungsverkennung) rechnen."

Ich behaupte mal, dieser Leser hätte ein wohlmöglich noch authentischeres Tagebuch eines Wahnsinnigen verfassen können.

Aber Gogol hält es da eher mit der ironischen Distanz. Er nimmt einen kleinen Beamten aufs Korn, dessen zunehmende Schizophrenie — aber lassen Sie mich nicht zu viel erzählen. Schauen Sie sich lieber selbst an, wie Thomas Braus (als langjähriges Schauspielensemble-Mitglied ebenso wahnwitz-erprobt wie wir Journalisten) in diesem Einmann-Stück die schleichende Persönlichkeitswandlung in einer intensiven Stunde faszinierend umsetzt. Das Ganze in einem beklemmenden Bühnenbild und mit einer Akrobatik, die manchem FlicFlac-Artisten Respekt abgenötigt hätte.

Am 13. Juni Juni können Sie seinen Wahnsinnigen zum letzten Mal in dieser Spielzeit erleben. Danach müssen Sie dann wieder mit unserem Tagebuch des allwöchentlichen Redaktions-Wahnsinns vorlieb nehmen.