Kommentar zum Stichwahl-Ausgang Wuppertal wollte kein „Weiter so“

Wuppertal · Uwe Schneidewind gewinnt die Stichwahl und wird Wuppertals neuer Oberbürgermeister. Amtsinhaber Andreas Mucke muss nach fünf Jahren sein Büro im Rathaus räumen. Was sind die Gründe für den Wechsel?

Erleichterung bei Prof. Uwe Schneidewind nach dem Wahlsieg.

Foto: Christoph Petersen

2015 ging Andreas Mucke als Überraschungssieger aus der Stichwahl gegen Peter Jung hervor. Ein echter Junge aus dem Tal, dem wirklich niemand absprechen kann, dass er das Wuppertaler Herz am richtigen Fleck hat. Den selbst formulierten Anspruch, ein politischer OB sein zu wollen, konnte Mucke aber ohne „Hausmacht“ nicht einlösen. Denn die Politik in Wuppertal macht der Stadtrat. Und in dem hat sich die SPD-Fraktion, die ohnehin mit ihrem OB fremdelte, zwischenzeitlich weit ins Abseits geschossen. Muckes Einfluss reichte offensichtlich nicht, um innerhalb der SPD und insbesondere der Fraktion rechtzeitig für ein Umdenken und die Orientierung zum Beispiel in Richtung der Grünen zu sorgen. Die feiern jetzt zusammen mit der CDU, was vor wenigen Jahren eigentlich noch als unmöglich galt ...

Und auch an der zweiten Verantwortungs-Front hatte es Mucke nicht leicht: Als Verwaltungs-Chef wünschte er sich eine bürgernahe Verwaltung, die den Dienstleistungsgedanken lebt. Offensichtlich gibt es aber im Rathaus immer noch genug Bremser, die eine andere Philosophie leben. Erst auf der Zielgerade seiner Amtszeit schaffte es Mucke, hier resolut etwas mehr in Bewegung zu bringen. Stichwort Außengastronomie ...

Das war zu spät, denn parallel ereilte Mucke ein ähnliches Schicksal wie seinen Vorgänger: Als OB hält man auch für die Dinge den Kopf hin, die man nur begrenzt selbst beeinflussen kann: Was bei Jung der holprige B7- und Döppersberg-Umbau war, sind für Mucke die Schwebebahn-Pannenserie, die Tanztheater-Querelen und das Outlet-Hickhack. Unter dem Strich blieb bei vielen Menschen wohl der Eindruck haften, dass es in Wuppertal einfach nicht läuft. So etwas schürt immer Wechselstimmung.

Nach dem Corona-Ausbruch sahen Insider trotzdem die Chancen für Uwe Schneidewind schwinden. Das Krisenmanagement der Stadt wurde allseits gelobt, Schneidewinds Kernthema Klima rückte schlagartig aus dem Fokus. Die starke Figur im Wuppertaler Kampf gegen Corona war aber nicht Mucke, sondern Stadtkämmerer Johannes Slawig. Mucke hatte die Leitung des städtischen Krisenstabs nach seiner Wahl an den omnipotenten Kämmerer delegiert. Nicht unüblich, aber auch nicht hilfreich für seine Wiederwahl-Ambitionen. Mucke lieferte während des Lockdowns warme Worte und Appelle, Slawig die harten Fakten und klaren Ansagen.

Wäre vor einem Jahr auf dem Höhepunkt der „Friday for Future“-Welle gewählt worden, hätte Schneidewind Mucke möglicherweise aus dem Amt gefegt. Dass es jetzt unter gänzlich anderen Voraussetzungen trotzdem für den Herausforderer gereicht hat, zeigt deutlich: Wuppertal wollte kein „Weiter so“. In einem Unterstützer-Post für Schneidewind las ich kürzlich: Dass Wuppertal Schneidewind als OB bekommen könne wäre so, als hätte der WSV die Chance, Jürgen Klopp als Trainer zu verpflichten. Das verdeutlich vielleicht, wie hoch die Erwartungen an den neuen Mann sind. Dabei hat er politisch im nach der Wahl zersplitterten Rat wie zuletzt sein Vorgänger keine belastbare Hausmacht. Und in der Verwaltung werden die Beharrungskräfte sich nicht großartig ändern, nur weil ein neuer Chef ins Rathaus einzieht.

Ein Kommentar von Roderich Trapp.

Foto: Max Höllwarth

Aber Uwe Schneidewind hat im Wahlkampf bewiesen, dass er Menschen begeistern kann. Ohne Vorleben im Wuppertaler Politikbetrieb an den Start zu gehen, muss dabei auch kein Nachteil sein. Man darf gespannt sein, wie er sich im Oberbürgermeister-Alltag schlägt und wie viele seine Ideen in der komplizierten Gemengelage Wirklichkeit werden können. Wuppertal nicht mehr als Synonym für Pleiten, Pech und Pannen, sondern für vernetzte Mobilität, Klimaschutz und Aufbruch? Ich hätte jedenfalls nichts dagegen ...