Kommentar „Mir persönlich gibt es einen Stich ins Herz“
Wuppertal · Kurz vor der Kommunalwahl stand kaum ein Laternenmast nackt ohne Werbung der Wuppertaler Parteien da. CDU, SPD, FDP – an jeder Ecke lächelten Parteivertreter auf uns herab. Dann gab es Plakate, auf denen niemand lächelte. Diese „besonderen“ Wahlposter sind einem Freund von mir aufgefallen. Nennen wir ihn Hakim.
Hakim kam mit der Flüchtlingswelle aus Syrien nach Deutschland. Mit dem Boot übers Meer und kilometerweit zu Fuß, mit einem kleinen Rucksack auf dem Rücken. Wenn er auf dem Handy Bilder seiner Flucht zeigt, sieht es aus wie ein lustiger Campingausflug mit Freunden. Das war es aber nicht. Hakim ist in Wuppertal gelandet und hat sich von Anfang an bemüht, alles richtig zu machen. Er ist offen auf die Menschen zugegangen. Hat akzeptiert, dass er hier ganz von vorne anfangen muss, hat sich monatelang um einen Praktikumsplatz bemüht, eine neue Sprache erlernt, seinen Führerschein nachgeholt.
Hakims Freundeskreis ist multikulturell, er ist immer fröhlich, wenn man ihn trifft. Und plötzlich steht Hakim vor den Plakaten, auf denen niemand lächelt. Er liest keine harmlosen Sprüche wie „Oberbarmen besser machen“. Er sieht die Schwebebahn und liest darunter die Worte: „Kein Orientexpress“. Er sieht das durchgestrichene Bild einer Moschee und liest darunter: „Islamisierung stoppen“.
Hakim hat bisher noch keinen Kommunalwahlkampf in Wuppertal miterlebt. Er kennt den Zustand nicht, wenn die ganze Stadt kurz vor der Wahl mit Plakaten überschwemmt wird. Zu dem Zeitpunkt, als er die Schilder von „Pro Wuppertal“ entdeckt, hängen noch keine weiteren Wahlplakate in der Stadt, da die Parteien sich darauf verständigt haben, erst sechs Wochen vor der Wahl mit der Plakatierung zu beginnen. Ungläubig schießt Hakim ein Foto mit seinem Handy, postet es auf Facebook und schreibt darunter: „Ich bin sprachlos. In ganz Wuppertal hängen solche Plakate. Ich habe so etwas noch nie vorher gesehen.“
Unter seinem Post erklären deutsche Freunde, dass die Plakate mit dem Kommunalwahlkampf zu tun haben und dass sie sie ganz abscheulich finden. Täglich lief Hakim in den letzten Wochen an diesen Schildern vorbei. Es muss ein ganz schreckliches Gefühl gewesen sein. Mir persönlich gibt es einen Stich ins Herz.
Ich schäme mich, dass es legal ist, sie öffentlich aufzuhängen, und ich schäme mich, dass wir lediglich peinlich berührt wegschauen und warten, bis die Zeit es richtet, die Wahl vorbei ist und die Plakate verschwinden. Ich wünsche mir, dass Hakim seinen Glauben daran nicht verliert, hier dazuzugehören wie wir alle.