Kommentar Totgesagte leben länger
Wuppertal · Bis zum 15. August hätte man keinen Pfifferling mehr auf die Pläne für eine Wuppertaler Bundesgartenschau im Jahr 2031 gegeben. Diese von Oberbürgermeister Andreas Mucke sehr geliebte Idee war per Stellungnahmen fast aller anderen Parteien quasi k.o. gehupt.
Und dann (eben am 15. August) sprach Uni-Rektor Professor Lambert T. Koch als Festredner bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde für Junior-Uni-„Erfinder“ Ernst-Andreas Ziegler in der mit Prominenz gut gefüllten Stadthalle von der zukunftsweisenden Bedeutung der großen Vision einer Wuppertaler Bundesgartenschau. Seitdem rudert vor allem die CDU mit Macht wieder zurück – oder hin und her. Jetzt ist sie plötzlich gar nicht mehr sooo schlecht, die BUGA-Idee. Natürlich unter bestimmten Voraussetzungen. Ist klar. Dazu muss man wissen, dass das Wort Lambert T. Kochs viel gilt in der CDU. Eine Weile, bevor der Name Uwe Schneidewind auftauchte, wurde Koch sogar kurz als CDU-OB-Kandidat gehandelt ...
Aber mit Blick auf die Kommunalwahl, die Sonntag in einer Woche stattfindet, muss man einmal ganz ehrlich fragen: Interessiert so ein Thema überhaupt eine nennenswerte Zahl von Wählern – oder gar von Nichtwählern, die eventuell zu Wählern werden könnten? Eine Bundesgartenschau, die – wenn überhaupt – in elf Jahren stattfände. Oder auch die rührende quasi-visionäre (CDU-)Idee, Wuppertal könne sich für 2040 (also in 20 Jahren) um den Titel einer „Kulturhauptstadt“ bewerben. Dagegen ist das „Pina Bausch Zentrum“, dessen geplante Eröffnung schon in sieben Jahren auf der Tagesordnung steht, ja geradezu tagesaktuell.
Nein – angesichts der repräsentativen NRW-Städteumfrage, die das Meinungsforschungsinstitut „infratest dimap“ mit Blick auf die Kommunalwahl im Auftrag des WDR sowie des Kölner Stadt-Anzeigers, des Bonner General-Anzeigers und der Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten auch für Wuppertal durchgeführt hat, interessiert die Mehrheit der Menschen in Wuppertal etwas anderes. Das Themen-Duo Verkehr/ÖPNV liegt vorn.
Dazu passen die (definitiv nicht repräsentativen) Leserbriefreaktionen, die unsere Redaktion erreicht haben, als wir in der vergangenen Woche einen Artikel zum Vorstoß der Grünen veröffentlicht haben, die im Landtag die gesetzlichen Vorgaben schaffen wollen, um das Solidarische Bürgerticket auf den Weg zu bringen.
Diese Idee einer neuen, in kompletter Bevölkerungsbreite aufgestellten ÖPNV-Finanzierung, die im Frühjahr 2019 schon einmal im Vordergrund stand, ruft jetzt die erneut gleichen Reaktionsmuster hervor: Aus Briefen und Mails der Gegner sprechen Zorn und Empörung, streckenweise gar der blanke Hass. Von den Befürwortern hört man keinen Ton. Ist das die Stimmung in der Bevölkerung, wenn es darum geht, dass man mutige Schritte zur Umsetzung der „Verkehrswende“ braucht?
Auch das Thema Umwelt- oder Busspur auf der B7 polarisiert. So lang aber beispielsweise niemand (ampelphasen-)steuernd eingreift, um die fast täglich zwischen etwa 16 und 17 Uhr überlastete Döppersberg-Kreuzung am Brausenwerth funktionsfähiger zu machen, wird man der Wuppertaler Politik und Verwaltung nicht zutrauen, dicke Bretter zu bohren. Diese Kreuzungsüberlastung führt am Zubringer Bahnhofsstraße/Kleeblatt (von unserer Redaktion aus optimal mitzuerleben) jedes Mal zu verkehrskollapsähnlichen Situationen wie in einer Mega-City. Das ist Alltag, der verbittert. Wähler erwarten von Politikern und Parteien, dass sie solche Alltagsprobleme lösen. Entweder konkret, oder indem sie vernünftige (Verkehrs-)Alternativen auf den Weg bringen.
Der Sieger der OB-Wahl beziehungsweise Stichwahl sowie die Parteienkonstellation, die dann „regiert“, haben eine Menge vor der Brust.