Wuppertaler Kult-Kneipier Uwe Dresen: „Ich bin mein eigenes Museum“
Wuppertal · Der Wuppertaler Kult-Kneipier Uwe Dresen wohnt privat ganz besonders – in der ehemaligen Villa Bremme. Ein Besuch, der einen erstaunen lässt.
„Ich wollte ja nur ein Bild kaufen.“ Uwe Dresen sitzt am Küchentisch und zeigt auf die gegenüberliegende Wand. „Da hängt es jetzt, das kleine aus Holz“, sagt der Hausherr und lächelt. Denn an der Wand hängt noch so einiges mehr. „Das eine Bild“ sollte ein Andenken sein. Ans Wuppertaler Müllmuseum, das bekanntlich vor ein paar Monaten endgültig seine Pforten schloss. „Ich fand es schade, dass die ganzen Sachen verschwinden sollten“, erzählt Dresen, fast schon entschuldigend, denn irgendwie ist es auch die Erklärung, warum aus „dem einen Bild“ aus dem Kult-Restaurant am Ende zwei Lastwagenladungen wurden. (Bilder)
„Und alles habe ich hier schon verteilt“, sagt er, ein bisschen stolz. Dabei, räumt er ein, „hatte ich ja vorher eigentlich schon genug Sachen.“ In Wuppertal ist Dresen vor allem als Wirt der Kultkneipe Marlene bekannt. Privat wohnt er – besonders. In der Villa Bremme, die Brauerei-Besitzer Emil Bremme einst bauen ließ.
Wer das erste Mal Dresens Reich an der Lichtenplatzer Straße betritt, weiß nicht, wohin er schauen soll. Zu viele Eindrücke sind es. Dresen selbst, der den Aufritt liebt; das Interieur – von Büsten über Teller, einen Tresor, Gemälde an Gemälde an der Wand, bis hin zu ausgestopften Tieren; der Geruch nach Nostalgie, von Mottenkugeln bis Parfüm.
Aus irgendeiner Box, versteckt im Regal, läuft Musik. The Cure mit „Lullaby“. Zufall, aber wer das dazugehörige Video der Band kennt, bekommt beim Blick auf das riesige Polsterlager im Wohnzimmer ein Deja-vu, wie Dresen dort Robert-Smith-like liegt. Kurz vor dem Besuch der Top Magazin-Redaktion sei er „ein bisschen eingenickt“. Wer mag es ihm verdenken, angesichts der plüschigen Unterlage von grob geschätzt 100 Kissen?
„Mich könnte man in Schloss Neuschwanstein packen. Da würde ich mich wohlfühlen“, sagt der Gastgeber, der – ganz Diva – sein Alter nicht verraten will. 1988 kaufte Dresen das Denkmal direkt von der Familie. 600 Quadratmeter Wohnfläche, dazu ein riesiger Außenbereich, der – wie es sich für die High Society von anno dazumal gehörte – mit etwas Besonderem aufwarten kann: einer eigenen Tuffsteingrotte.
„Die Villa mit ihren 30 Zimmern war damals ganz leer. Ich konnte Rad fahren hier drin“, erinnert sich Dresen. Die Zeiten sind vorbei, viel Platz ist nicht mehr. Und jetzt noch der Restbestand des Müllmuseums dazu? „Ich wollte ja nur ein Bild kaufen“, sagt er wieder. „Aber die taten mir so leid. Ich war da doch früher selbst so oft da.“
Angelique Birkenkamp, Tochter des langjährigen Pächters, Heinz Opitz, freut sich, dass der frühere Stammgast einsprang. Das „Aus“ für das Müllmuseum sei vor allem für ihren Vater ein herber Schlag gewesen. „Deshalb sind meine Familie und ich froh, dass bei Uwe ein Stück Müllmuseum und dessen Schätze weiter leben dürfen.“
Wie das rote Sofa, auf dem Dresen oft saß. „So ein richtiges Loriot-Sofa.“ Natürlich wurde es gerettet, steht jetzt samt Tischchen in seinem Schlafzimmer. „Brauchen? Natürlich braucht man das nicht alles“, sagt er spielerisch empört. Beim Rundgang durch die Villa wird er dann deutlicher. „Nee, vieles braucht kein Mensch.“ Aus dem Müllmuseum hat er zum Beispiel einen ganzen Satz Kaffeetassen bekommen. „Aber wie viele Tassen nutze ich?“ Er hebt seine hoch. „Genau. Eine.“ Und dass er vorher schon vermutlich Dutzende Tassen in der übervollen Küche sein Eigen nannte, quittiert er mit einem Lächeln.
Wie viele „Dinge“ er insgesamt hat, das wisse er nicht. „Aber ich weiß, wo alles steht. Und ich kann zu allem eine kleine Geschichte erzählen.“ Wie es zum Beispiel den Weg in sein Denkmal fand. Das empfängt, stammt aus Dresens Studienzeit. In der Nähe, wie passend, ein Sarg. Die Namensplakette verrät: „Der ist für mich.“ Dass ein bisschen Staub den Namen fast verdeckt, zeigt, dass Dresen schon vor längerer Zeit vorgesorgt hat, was seine letzte Reise angeht.
Apropos Staub. „Den Kampf dagegen habe ich verloren“, bleibt der Villenbesitzer ehrlich. Die vielen „Stehrümmchen“ lassen ihm keine Chance. Er habe aber auch nie „Nein“ sagen können, wenn zum Beispiel eine neue Bleibe für den Hausrat verstorbener Familienmitglieder gesucht wurde, schmunzelt er. So habe sich eben einiges angesammelt. Und ein Faible für besondere Bauten habe er eh immer gehabt. „Früher habe ich zum Beispiel mal im Lüttringhauser Wasserturm gewohnt.“ Und seit 1988 eben im Brauerei-Erbe. Dazu passt seine neueste Errungenschaft: ein Gemälde mit dem Bildnis Carl Bremmes, dem Gründer von Bremme-Bräu. Sammler Bodo Flunkert hat es ihm geschenkt. „Und das fand ich sehr, sehr nett“, sagt Dresen.
Auch wenn er vermutlich die 30 Zimmer gut allein füllen könnte – er bewohnt „nur“ gut ein Dutzend im Erdgeschoss und der ersten Etage. Das zweite Obergeschoss gehört seinem ältesten Freund, Andreas Fischbach. Dazu gibt es noch zwei weitere Wohneinheiten. Die von Dresen dürfte aber einmalig sein. „Ich bin mein eigenes Museum“, sagt Dresen.
Und der Stil? „Auf jeden Fall alles so um 1900“, erzählt der Hausherr. Viel aus der WilhelminischenÄra ist zu entdecken. Dann gibt es aber auch eine Ecke mit Stücken aus Fernost, Wuppertal-Memorabilien wie eine kleine Husch-Husch-Statue oder eine Fotowand mit Dutzenden Bildnissen der „buckligen Verwandtschaft“, eine echte Ahnengalerie, wie Ur-Wuppertaler Dresen erklärt.
Der Besucher ertappt sich schon dabei, dass er versucht, ein System zu erkennen, wie der Kneipier sein Heim ausstaffiert. Seine Antwort: „Das Feng Shui muss passen.“ Schließlich müsse jedoch vor allem er sich wohlfühlen. „Und das tue ich.“
Dass der Nachlass des Müllmuseums bei ihm landete, passt da gut ins Bild. Auch vom ehemaligen Dorrenberger Hof hat er einiges für die „Marlene“ übernommen. Das Rückbüffet allerdings steht in der ersten Etage seiner Villa. „War das ein Ding, das hier hochzubekommen“, erinnert er sich. Vom Traditionsladen Haus Richter in der Beek, mittlerweile längst abgerissen, findet sich ebenfalls noch einiges bei Dresen. „Wenn ich so weitermache, übernehme ich bald alle aufgegebenen Kneipen Wuppertals.“
Und vermutlich fällt dann wieder der Satz: „Ich wollte doch nur ein Bild kaufen“…