Henrik Freischlader Wuppertals entspannter Blues-Export
Wuppertal · 10 Uhr morgens, Cafe Moritz, die Sonne scheint durch die Blumenfront am Fenster, der Cappuccino vor uns wartet geduldig darauf, den morgendlichen Koffeinbedarf zu decken. Ich bin mit Henrik Freischlader verabredet – das sind immer so wunderbar entspannte Termine.
So entspannt wie Wuppertals Blues-Aushängeschild selbst, auch wenn es morgen auf Frühjahrstournee geht. Mit einem Tourbus, dessen Batterie irgendwo zu viel Strom frisst. „Ach, es wäre doch langweilig, wenn alles immer reibungslos funktionieren würde“, kommentiert er fröhlich. Aber der Stress, mit 19 Gigs in einem Monat, ständig auf Achse dazwischen? „Überhaupt nicht, wir spielen doch gerne, das Publikum ist gut drauf, freut sich wieder auf Konzerte zu gehen und wir genießen das auch“ – entwaffnend, diese gute Laune. In der zweiten Hälfte des letzten Jahres waren es sogar 55 Auftritte und die haben auch alle Spaß gemacht.
Zum Glück rollt dadurch der Rubel (sagen wir heutzutage lieber Euro) ja auch wieder, das macht alles etwas leichter in Zeiten, in denen der CD-Verkauf den Rückwärtsgang eingelegt hat. Wie sieht es denn mit den Tantiemen von Spotify und Co aus? „Völlig ohne Bedeutung“, lächelt er trotzdem, aber HF ist eben anders gepolt: „Wir freuen uns über jeden, der uns live erleben will, der Freude an unseren liebevoll und aufwendig gestalteten Vinyl-Alben hat oder sich eine Musik-Kassette fürs Auto ergattert“, denn da kommen die Erlöse her, die der Profi-Musiker braucht und die diese Musik auch verdient.
Etwa die Songs des aktuellen Doppel-Albums „Aware of things“, deren Titel Freischlader wie üblich alle selbst geschrieben hat. Blues, gepaart mit Rock und Soul, gespielt auf verschiedenen Fender- und Gibson-Gitarren aus den 60er Jahren, aus der gleichen Zeit auch die Drums, nur wenig jünger der Bass, die Freischlader allesamt auch selbst eingespielt hat. Dazu der unverwechselbare Hammondorgelsound von Mo Fuhrhop – insgesamt eine großartige Hommage an Henriks Idol Gary Moore, und dass dessen Sound auch genauso rüberkommt, ist auch ein Verdienst von Studiobetreiber Martin Meinschäfer und dessen Equipment.
„Ein großartiger Typ, der den Sound alter Instrumente und Mikrofone liebt und auch musikalisch versteht, worum es geht – nämlich einzig und allein um die Musik und nicht um die Konsumerwartung!“ – das ist natürlich auch eine Kritik an der aktuellen Ausrichtung der Musikindustrie. Und ein Grund, warum Freischlader vor Jahren seine eigene Produktionsgesellschaft Cable Car Records gegründet hat. Das gibt ihm die nötige Unabhängigkeit, die Dinge so zu betreiben, wie er es will, bringt allerdings etliches an Mehrarbeit mit sich. „Aber die ist nicht nur nötig, sondern macht auch Spaß“, lächelt er wieder.
Viel Schlaf braucht er eh nicht und manchmal vergisst er sogar essen und trinken, bis die Körpermitte hörbar Nachschub fordert. Deswegen schnell noch zwei Cappuccino bitte, ich schiebe die hitzeempfindlichen Vinyl-Scheiben auf der Fensterbank aus der Sonne in den Schatten, man weiß ja nie. Obwohl: In einem der neuen Stücke heißt es „I wanna go where the sun is shining day and night“.
Ein nachvollziehbarer Wunsch für einen Wuppertaler, aber auch beispielhaft für die Texte, die Freischlader – verblüffend genug – immer erst dann schreibt, wenn der Song schon fix und fertig ist. Oft mit Aussagen über eine bessere Welt, die so einfach sein könnte, gäbe es denn ein „rule how to rule the world“. Ein Weg könnte ja schon sein, zu erkennen „you need to be small to see how big it is.“
Diese Einstellung kennzeichnet auch sein Verhältnis zum Glauben. Noch heute geht Henrik Freischlader gerne in die Kirche, um eine Kerze anzuzünden oder einfach ein wenig runterzukommen und danke zu sagen. „Ich glaube an Gott und freue mich jeden Tag aufs Neue über das Geschenk des Lebens. Ich bin dankbar dafür, dass ich das machen darf, was ich mache und habe ständig das Bedürfnis, mich bei unserem Schöpfer zu bedanken.“ Das kommt auch in der 13-Minuten-Ballade „Hands of Jesus“ zum Ausdruck, letztlich ein Appell an die Bewahrung der Schöpfung. Mit einem Blue(s)-Sky, der die Aussage musikalisch auf den Punkt bringt.
Der blaue Himmel scheint immer noch über Barmen, Teller und Tassen sind leer, und in einer Stunde wartet die letzte Probe vor der Tour. Hoffentlich hält die Batterie durch, aber wenn nicht, es gibt immer eine Lösung. „Too many people are sleeping in a bed of constant stress“...