Peer Stemmler lebt in Wuppertal Zoom-Chef: „Wir haben das möglich gemacht“

Wuppertal · Peer Stemmler ist Zoom-Chef für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Osteuropa – und lebt in Wuppertal

Peer Stemmler auf dem Wuppertaler Ölberg.

Foto: Simone Bahrmann

Das Treffen fürs Interview mit Peer Stemmler findet in Präsenz statt. Zu Hause beim 58-Jährigen, auf dem Ölberg. Eigentlich nichts Ungewöhnliches mehr in dieser Zeit. Und doch ein bisschen überraschend. Schließlich hat Peer Stemmler gemeinsam mit seinem Arbeitgeber dafür gesorgt, dass die Menschen sich seit Beginn der Corona-Pandemie nicht mehr so oft wie früher treffen „müssen“. Vor allem beruflich.

Wer von Videokonferenzen spricht, benutzt oft fast synonym das Wort Zoom. Und Stemmler ist „Head of DACH + EE“. Oder anders ausgedrückt: Er verantwortet die Geschäfte von Zoom für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Osteuropa. Er lebt also davon, dass die Leute nur noch virtuell in Kontakt treten. „Und doch ist, sich persönlich zu treffen, sich kennenzulernen, ja auch schön“, erzählt das gebürtige Nordlicht aus Lübeck, das längst in der Wuppertaler Nordstadt heimisch geworden ist.

Kartons voller Technik-Kram

Am Klingelschild des denkmalgeschützten Baus in der Zimmerstraße – „seit Jahrzehnten in Familienbesitz“ – steht sogar neben dem Familiennamen „Zoom“. Und Post gebe es häufig, sagt Stemmler und lacht. Sein Büro im Erdgeschoss steht voller Kartons. „Technik-Kram“, sagt er. Kameras, Lautsprecher und ähnliche Gimmicks, die das Leben mit Zoom einfacher machen. Zumindest ist das beabsichtigt. „Das bekomme ich zugeschickt und soll es ausprobieren.“ Alles schaffe er aber gar nicht, räumt Stemmler ein. „Und außerdem bin ich ja auch kein Techniker.“

Was das Thema Homeoffice angeht, war der Auto- und Fahrradfan ganz früh dran. 2003, als er noch beim Videokonferenz-Anbieter Webex arbeitete, trug eine seiner ersten Veröffentlichungen den Titel „Dienst ohne Reise“. Damals sei allerdings die Idee eher gewesen, Reisekosten zu reduzieren, erinnert er sich.

Erst zehn Millionen, dann 400

Als der Maschinenbauingenieur im Oktober 2019 zu Zoom wechselte, konnte vermutlich niemand ahnen, welche Entwicklung das Unternehmen nehmen würde. Zehn Millionen Menschen nutzten damals den „Viko“-Dienst – ein halbes Jahr später, mitten in einer Pandemie, waren es bis zu 400 Millionen. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Stemmler redet nicht drumherum: „Ja, natürlich haben wir durch Corona profitiert.“ Auf einmal wollten nicht mehr nur Business-Kunden per Video kommunizieren, sondern Großeltern mit ihren Enkeln, Freunde untereinander, kurzum: Eigentlich jeder, dem durch die Covid-Auflagen persönliche Treffen verwehrt blieben. „Und wir haben das möglich gemacht“, so Stemmler.

Anfangs auch Kinderkrankheiten

Peer Stemmler.

Foto: Simone Bahrmann

Gerade in der Anfangszeit hatte aber auch der spätere Marktführer mit Kinderkrankheiten zu kämpfen. „Wir waren auf vieles nicht eingestellt“, erinnert sich Stemmler. Zoom machte – wie übrigens auch einige Konkurrenten – zum Beispiel durch das ein oder andere Sicherheitsleck Schlagzeilen. Dass sich etwa jemand unbefugt in Videokonferenzen einschleusen würde, „kannten wir vorher einfach nicht“, sagt der DACH-Chef.

Elton John, Biden und Selenskyi

Doch die Kritik sei wichtig gewesen. „Dadurch wurden wir besser.“ Entscheidend sei gewesen, dass Zoom von Anfang an einfach zu nutzen war. Kein Wunder, dass vom Elternabend in der Kita bis zum virtuellen Training von Fußball-Clubs im Lockdown jeder auf das Tool zurückgriff. Und dass Promis wie Elton John durch ihre Sessions per Zoom für weltweite Werbung sorgten, kam nicht ungelegen. Zuletzt postete Stemmler noch ein Foto von US-Präsident Joe Biden vor dem Zoom-Bildschirm.

Der Wuppertaler lächelt. „Die nutzen das schon länger, haben es aber das erste Mal öffentlich gezeigt.“ Stolz ist er darauf, dass Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, ebenfalls auf Zoom zurückgreift. Ein Zeichen, wie sicher der Dienst sei. „Und Selenskyj ist ein echter Profi im Umgang damit“, erklärt Stemmler anerkennend.

Den Großteil seiner Arbeit verbringt er immer noch im Homeoffice. „Ich bin halt einfach gerne auf dem Ölberg, schlafe gerne zu Hause.“ Schließlich wohnt aktuell fast die ganze Familie wieder in Wuppertal, nachdem eine der drei erwachsenen Töchter aus Köln zurückgekehrt ist und eine weitere gerade einen Job in Wuppertal angenommen hat. Einen eingefleischten Ölberger kann man Stemmler wohl mittlerweile nennen. „Da draußen“, zeigt er aus dem Büro-Fenster, „hatten wir mit unserer Nachbarschaft zum Beispiel immer eine Bühne beim Ölberg-Fest.“ Bei der diesjährigen Auflage habe er aber passen müssen. Eine wichtige Konferenz in Übersee stand an. Ausnahmsweise mal in Präsenz.

Längst Wuppertaler aus Überzeugung

Viele im Viertel kennen „den Peer“ und beschreiben ihn als einen, „der einfach auf dem Boden geblieben ist“. Angesichts des Höhenflugs, den sein Arbeitgeber hinter sich hat und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Erfolg, könnte Stemmler vermutlich auch woanders eine Villa bewohnen. Doch bei der Frage danach guckt der 58-Jährige nur erstaunt: „Warum sollte ich?“ Schließlich ist das Haus auch ein Stück Familiengeschichte. Stemmlers Mutter zog mit ihrem zweiten Mann in den 1980er Jahren aus dem hohen Norden an den Ölberg – keinem Geringeren als Bodo Richter, Ex-OB von Flensburg und Ex-Bürgermeister von Schleswig, der damals Oberstadtdirektor an der Wupper wurde.

Stemmler ist seit 1994 hier heimisch. Und längst Wuppertaler aus Überzeugung. Einziger Wermutstropfen: Als Segel-Fan vermisst er die Ostsee. „Hier in der Region geht das nur auf Seen, das ist schon was anderes.“

Die BUGA? „Finde ich super!“

Aber sonst genieße er Wuppertal und eben den Ölberg. Kita und Grundschule, Gymnasium – seine Kinder hatten alles fast nebenan. „Die konnten immer zu Fuß dahin“, erinnert er sich. Und ganz schnell sei man auch im Grünen. „Ich fahre regelmäßig mit dem Rad ins Burgholz, bin ein Riesenfan des Arboretums.“ Eine Verlängerung der Samba-Trasse nach Elberfeld, „da wäre ich sofort dabei.“ Diskutiert wird darüber schon lange – passiert ist noch nichts.

Dass in Wuppertal Dinge manchmal etwas dauern, hat er mittlerweile gelernt. Dass die Stadt sich für die Bundesgartenschau bewirbt, „finde ich super, kein Wenn und Aber“. Und Stemmler ist überzeugt: „Ich traue das unserer Stadt zu, das wird einen Schwung geben“.

Viele Bauwerke in Wuppertal seien Ikonen. „Die werden uns überdauern.“ Und das könne auch die für die BUGA geplante Hängebrücke schaffen, „outet“ sich der 58-Jährige als Fan des umstrittenen Teilprojektes für den Wuppertaler Westen. Ansonsten kommt dann doch der Technikfan durch, wenn Stemmler an mögliche Ideen für das Event 2031 denkt. „Zum Beispiel wären Live-Übertragungen von einem der Türme auf den anderen möglich. Wir würden das gerne unterstützen.“

Und dann wünsche er sich, dass für die BUGA auch wieder die Sichtachsen zwischen Von der Heydt-, Weyerbusch- und Toelleturm geschaffen werden, „die es früher schon gab“.

Wie verändert sich die Kommunikation?

Überhaupt, über die Zukunft mache er sich gerne Gedanken. „Aktuell ist die Kommunikation noch sehr auf Augen und Gehör konzentriert. Wie wird das in zehn oder 20 Jahren aussehen?“ Was den Job angeht, ist er jedenfalls sicher: „Man geht nicht zum Meeting, das Meeting kommt zu einem.“ Es gehe darum, dass der Energieverbrauch für den Weg zur Arbeit gesenkt werden müsse. Auch wenn er Autos liebe – „es wird einen Rückgang geben“, glaubt Peer Stemmler. „Und mit Sicherheit auch Tempolimits, aber anders, als man sich das heute vielleicht vorstellt.“

Vor allem innerhalb von Städten und für Verbrenner. „Dann schwenken viele automatisch auf E-Autos um.“ Alles Zukunftsmusik, sicher. Aber das hat man vor ein paar Jahren auch über Ideen von „virtuellen Büros“ gesagt …