Top Wuppertal: Olivier Mboma Manchmal redet er mit seinen Bildern

Wuppertal · Olivier Mboma ist Künstler – und Kinderarzt. In seinen Werken greift der Wuppertaler medizinische Elemente und sozialpolitische Themen auf.

Die Familie hat ihm den Rücken freigehalten, sodass Olivier Mboma sein Medizinstudium absolvieren konnte. Inzwischen ermöglicht ihm der Job auch das Malen.

Die Familie hat ihm den Rücken freigehalten, sodass Olivier Mboma sein Medizinstudium absolvieren konnte. Inzwischen ermöglicht ihm der Job auch das Malen.

Foto: Bettina Osswald

Eine sitzende, lebensgroße Figur, unbeweglich, aber würdevoll mit geradem Rücken und glänzendem Goldring. Es ist „The Thinker“ von Olivier Mboma, eines seiner ersten Bilder – eine Art Familienmitglied, wie der Künstler sagt. Und eine Projektion: Das verzerrte Gesicht ist eine Maske, es zeigt rassistisches Schubladendenken, Vorurteile: „Das, was ich so erlebe als schwarz gelesener Mann“, berichtet der Wuppertaler. (Bilder)

Bilder: Olivier Mboma - Kinderarzt und Künstler
9 Bilder

Olivier Mboma – Kinderarzt und Künstler

9 Bilder
Foto: Bettina Osswald

Olivier Mboma ist nicht nur Künstler, sondern auch Kinderarzt. Er gibt seinen Figuren die gruseligen Masken, weil sie widerspiegeln, was er im Alltag erlebt: „Ich werde zum Beispiel häufig gefragt, wann denn der Arzt kommt.“ Dass Olivier Mboma nicht bloß um des Malens Willen malt, sondern die Kunst als eine Form der „Eigentherapie“ bezeichnet, er eine Strategie zur Bewältigung, aber auch als Fläche zum Abbilden sozialpolitischer Themen, zeigt sich auch bei einem weiteren Bild: Eine Frau mit ebenfalls verzerrter Maske, goldenem Schmuck, aufrechter Haltung und großen Händen, mit denen Mboma darauf aufmerksam machen will, wie wichtig die Hände von Frauen sind, was sie leisten – und was zu selten anerkannt wird.

„Ich bin ein sehr verkopfter Mensch“, erklärt der 34-Jährige. Wohl auch deshalb ergänzt Mboma die sozialpolitischen Themen um das, was er im Berufsalltag erlebt: Ein Bild vom Format des „Thinker“ zeigt einen älteren Mann mit einem Kind auf dem Schoß – es lässt gleich an die Interaktion von (Groß-)Eltern und Kindern denken, an das, was Mboma in der Praxis mitbekommt und vielleicht sogar an das, was Mboma aus seiner eigenen Kindheit erzählt. Als er selbst noch ein kleiner Junge war, musste er häufig ins Krankenhaus oder in eine Praxis – und war schwer beeindruckt von seinem betreuenden Arzt: „Er kam aus Haiti – ein schwarzer Kinderarzt, das hat mich sehr inspiriert.“

So entstand der Wunsch, selbst einmal diesen Beruf zu ergreifen, den Mboma nach dem Abitur 2010 am Gymnasium an der Bayreuther Straße und dem Studium in Belgien verfolgt hat. Nach dem Abschluss kam Mboma zurück ins Tal und hakte sogleich einen weiteren Punkt auf seiner Lebens-To-do-Liste ab: Am Helios-Krankenhaus arbeitete er mit Pflegekräften und Ärzten zusammen, die ihn in seiner Kindheit behandelt haben. Dort blieb er zwei Jahre, um dann in eine Kinderarztpraxis zu wechseln. Aus gesundheitlichen Gründen, denn dort sind die Arbeitszeiten klar eingeteilt, und um der Kunst Raum in seinem Leben zu geben.

Auf dem Weg zu seinem Traumberuf hat als Fläche zum Abbilden sozialpolitischer Themen, zeigt sich auch bei einem weiteren Bild: Eine Frau mit ebenfalls verzerrter Maske, goldenem Schmuck, aufrechter Haltung und großen Händen, mit denen Mboma darauf aufmerksam machen will, wie wichtig die Hände von Frauen sind, was sie leisten – und was zu selten anerkannt wird.

Auf dem Weg zu seinem Traumberuf hat ihn seine Familie immer unterstützt, ihm den Rücken freigehalten, sagt Mboma. Und auch die künstlerischen Interessen hat die Familie innerhalb ihrer Möglichkeiten gefördert. Zum 16. Geburtstag etwa habe er Farben geschenkt bekommen. Und sie nicht benutzt – unter dem Vorwand, es seien nicht die richtigen. „Was man sich eben so einredet“, erklärt Mboma rückblickend. 2020 dann, als im Lockdown mehr Zeit war, fand der Kinderarzt wieder zur Malerei.

Technisch probiert er aus, versucht das, was er im Kopf hat, umzusetzen, beschreibt er. Dafür nutzt er Acryl-, Pastell- und Ölfarbe, aber arbeitet auch mit Blattgold. Seine Vorbilder: Gustav Klimt, Egon Schiele und Jean-Michel Basquiat. „Ich feiere dann auch so einen Basquiat, der das nicht elitär gemacht hat. Es ist erfrischend zu sehen, dass es andere auf unorthodoxe Weise schaffen.“

In dem Zimmer, das Mboma als Atelier nutzt, ist es voll, überall stehen Farben, angefangene Bilder, Leinwände und Skizzen – wenn er malt, kratzt der Pinsel über die Leinwand, das Geräusch gehört fast zum Rhythmus der Musik, die er beim Malen gern auflegt und aufdreht. Hier oben über den Dächern des Luisenviertels entstehen Mbomas Interpretationen großer Weltstars. Hier kifft Albert Einstein mit Bob Marley, hier trifft Frida Kahlo auf Pablo Picasso – und die Kunst auf die Medizin: Über Frida Kahlo verläuft die Aorta, Pablo Picassos Leber ist dazu gezeichnet, auf Rihannas Hals ist ihr Kehlkopf dargestellt: „Ich wollte noch einmal meinen Kurs durchgehen – Anatomie habe ich nur ganz knapp bestanden.“

In den anderen Räumen seiner Wohnung hängen und stehen die fertigen Bilder, sie kommen gerade aus einer Ausstellung beim Neuen Kunstverein Wuppertal. Die Figuren, die zum Teil ergänzt werden durch poppige Elemente und das glänzende Gold, fügen sich organisch in die Wohnung des Wuppertalers ein, in der Kunst und Kindermedizin aufeinandertreffen. Daneben ein Bass, einige Schallplatten unter anderem von Al Jarreau, Literatur von Simone de Beauvoir, Thomas Piketty und Yuval Noah Harari: Im Wohnzimmer von Olivier Mboma kommen viele Leidenschaften, viel Wissen, viele Interessen zusammen. Und über allem ein Foto von Mbomas Familie, wie sie gleichzeitig das Abitur von seinem jüngeren Bruder und den Abschluss des Medizinstudiums von Mboma feiert.

Vor zwei Jahren hat Mboma seine Bilder zum ersten Mal ausgestellt. Seitdem ist seine Kunst im Gespräch – in Wuppertal, aber auch darüber hinaus. „Es kam sogar eine Anfrage für eine Ausstellung in London.“ Anfragen, ob die Bilder verkäuflich sind, bekommt Mboma ebenfalls: Die meisten Bilder verkauft er, ja, aber seine ersten Bilder will er behalten. Sie seien Teil seiner Familie. „Es ist eine vielleicht komische Eigenart, aber manchmal rede ich sogar mit ihnen“, gibt Mboma zu.

Hin und wieder finden Kunst und Medizin auch in der Praxis zusammen, berichtet der Wuppertaler. Wenn Geschwisterkinder warten müssen, zeichnet er mit ihnen. Das mache ihm großen Spaß: „Kinder haben eine sehr offene Art – sie lernen erst irgendwann Regulation.“ Weder die Kunst noch die Kindermedizin will Mboma aufgeben, beide bleiben Traumberufe, sind wichtiger Teil seines Lebens.