Stadt und Diakonie Für Kinder zum Mentor werden

Wuppertal · Manchmal gelingt es leiblichen Eltern nicht, für das Wohl ihrer Kinder zu sorgen. Dann kümmern sich unter anderem ehrenamtliche Vormunde. Die Stadt sucht in Kooperation mit der Diakonie Interessierte, die sich vorstellen können, ein solches Ehrenamt zu übernehmen. Am Mittwoch (31. Juli 2024) findet dazu eine eine Infoveranstaltung statt.

 Michelle Möller (links), städtische Koordination von ehrenamtlichen Vormundschaften, der ehrenamtliche Vormund Dr. Stefan Wirth und Bärbel Hoffmann aus der Geschäftsführung der Diakonie.

Michelle Möller (links), städtische Koordination von ehrenamtlichen Vormundschaften, der ehrenamtliche Vormund Dr. Stefan Wirth und Bärbel Hoffmann aus der Geschäftsführung der Diakonie.

Foto: Wuppertaler Rundschau/mivi

Mama, warum ist die Erde rund? Papa, warum haben Hasen lange Ohren? Typische Fragen, die Kinder ihren Eltern stellen. Nicht alle Mädchen und Jungen in Wuppertal haben die Chance, sich von ihren Müttern oder Vätern die Welt erklären zu lassen. Sie sind zum Beispiel krank, überfordert, verstorben, oder im Fall von geflüchteten Kindern und Jugendlichen im Heimatland zurückgeblieben. Dann muss ein Vormund bestellt werden, der die Aufgabe hat, alle wichtigen Entscheidungen für das Mündel zu übernehmen.

Eine Reform zum 1. Januar 2023 veränderte das Vormundschaftsrecht dahingehend, dass ehrenamtliche Vormundschaften vorrangig eingesetzt werden sollen. Die Stadtverwaltung Wuppertal hat hierfür eine eigene, neue Koordinierungsstelle geschaffen. Die sorgt seit April dieses Jahres für die Gewinnung, Schulung und Beratung der Ehrenamtler in Kooperation mit der Diakonie Wuppertal.

„Zu den Aufgaben eines ehrenamtlichen Vormundes gehören die rechtliche Vertretung der Interessen des Kindes, die Förderung der persönlichen Entwicklung, Unterstützung in der Schule und die Kooperation mit Ämtern. Nicht erwartet werden finanzielle Aufwendungen oder die Aufnahme in den eigenen Haushalt“, erklärt Michelle Möller, die die neue städtische Stelle für die Koordination von ehrenamtlichen Vormundschaften leitet. Unterstützung gibt es dabei von der Diakonie Wuppertal. Denn diese hat bereits seit 2007 ein bestehendes Helfersystem, das ehrenamtliche Vormunde mit Kindern und Jugendlichen zusammenbringt.

„Hauptamtlich tätige Vormunde haben im Schnitt 70 Vormundschaftsmandate. Bei uns in der Diakonie versuchen wir, es pro Fachkraft bei 50 zu belassen. Das ist immer noch viel, 30 wären eine sinnvollere Größe. Anders geht es aber leider nicht. Daher legen wir viel Wert auf die Hilfe von ehrenamtlichen Vormunden. Sie bringen mehr Zeit mit. Das schafft mehr Nähe und sie übernehmen die Funktion eines Mentors beziehungsweise einer Mentorin für die Kinder und Jugendlichen“, erklärt Bärbel Hoffmann, die den Bereich Kinder, Jugend und Familie bei der Diakonie Wuppertal vertritt. Sie und ihre Mitarbeitenden bringen regelmäßig Ehrenamtliche und Minderjährige zusammen.

Einer von ihnen ist Kinderarzt Dr. Stefan Wirth. Er ist seit 2011 in seiner Freizeit als ehrenamtlicher Vormund tätig, betreute über die Jahre insgesamt elf Mündel – allesamt geflüchtete Jungen aus Ländern wie Afghanistan, Syrien oder auch aus Westafrika. Er begleitet sie bei Behördengängen, hilft ihnen bei der Suche nach Sprachkursen und dabei, sich in Deutschland einzufinden. „Aktuell betreue ich fünf Jungs. Ich schaue, dass ich wöchentlich Kontakt mit ihnen habe – oder mindestens alle 14 Tage. Wir machen auch mal Ausflüge, wie zum Beispiel ins Schwimmbad, aber meine Mündel sind jugendlich und benötigen eher Hilfe dabei, fest im Leben anzukommen, als bei der Freizeitgestaltung. Die treffen sich da lieber untereinander.“

Michelle Möller ergänzt: „Und genau darum geht es bei der ehrenamtlichen Vormundschaft. Die Kinder und Jugendlichen sollen da abgeholt werden, wo sie stehen. Ihnen soll von den Erwachsenen nicht die eigene Vorstellung des Lebens übergestülpt werden. Geflohene Kinder und Jugendliche, die auf ihrem Weg nach Deutschland teilweise stark traumatisiert worden sind, haben andere Bedürfnisse als Kinder, die in Deutschland aufgewachsen und aus den Familien geholt worden sind.“

Bärbel Hoffmann betont, dass jedes Kind, das einen Vormund benötigt, eine individuelle Geschichte mitbringt, auf die emphatisch eingegangen werden muss. „Es gibt immer einen Grund, warum Kinder in Wohnheimen untergebracht und nicht zu Hause bei ihren Eltern sind. Ob sie in Deutschland aufgewachsen sind oder hierher geflohen sind. Daher suchen wir für dieses Ehrenamt nach Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft, die im Leben stehen.“ Ob Handwerker, Akademiker oder Studenten – jeder Mensch ist eine willkommene Hilfe.

Bärbel Hoffmann weiter: „Bei manchen Vormundschaften geht es eher um Freizeit, um gemeinsames Lernen, bei anderen um Amtsbesuche oder Vermittlung von Bildungsangeboten. Wir schauen von Anfang an, ob Vormund und Mündel zueinander passen. Selbstverständlich gibt es für die Ehrenamtler eine Schulung. Aber niemand braucht Vorkenntnisse in Rechtsfragen oder Ähnliches.“