Ev. Kirchenkreis Wuppertal Jugendfreizeit: „Eine Lebensgemeinschaft auf Zeit“

Wuppertal · In vielen Gemeinden finden in den Sommerferien wieder Jugendfreizeiten statt. Für Jugendreferentin Bettina Hermes ist der Urlaub in Gemeinschaft ein unverzichtbarer Teil der Jugendarbeit.

Jugendreferentin Bettina Hermes

Foto: Sabine Damaschke

Warum haben Freizeiten in der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit so einen hohen Stellenwert?

Hermes: „Auf den Freizeiten erleben wir die Kinder und Jugendlichen außerhalb ihres Alltags, der neben der Schule durchgeplant ist mit Aktivitäten. Und da sind sie oft erstaunlich anders. Der Tag beginnt mit einem entspannten gemeinsamen Frühstück und endet oft mit einem Abend am Lagerfeuer. Dazwischen finden Sport und Spiele, Ausflüge und Bibelarbeiten statt.

Sich in einer so intensiven Gemeinschaft mit Gleichaltrigen außerhalb von Schule und Familie zu erleben, ist für viele Jugendliche neu. Sie können sich ohne Leistungsdruck ausprobieren, andere Seiten an sich entdecken und über sehr persönliche Themen ins Gespräch zu kommen. Auf Freizeiten findet ganz viel Beziehungsarbeit statt. Es ist eine Lebensgemeinschaft auf Zeit, von der alle profitieren.“

Welche Rolle spielt dabei der Urlaubsort?

Hermes: „Das Reiseziel sollte so ausgesucht sein, dass die Jugendlichen dort Zeit miteinander verbringen können und Platz für Aktivitäten, aber auch Rückzugsmöglichkeiten haben. Das ist in der Regel eher in den Freizeithäusern im Norden als im Süden gegeben. Hinzu kommt der Klimawandel. Mittlerweile kann es in den südlichen Feriengebieten so heiß werden, dass viel mehr Fürsorgepflicht nötig ist, damit Jugendliche sich keinen Sonnenstich holen, genug trinken, sich eincremen. Außerdem können bei 43 Grad kaum noch Sport- und Spielangebote stattfinden.“

Ohne ihr Smartphone sind Jugendliche heute nicht mehr unterwegs. Wie geht man auf den Jugendfreizeiten damit um?

Hermes: „Ein Handyverbot ist heute nicht mehr möglich. Es geht eher darum, feste Zeiten fürs Daddeln festzulegen. Wenn Programm läuft, gehören die Smartphones nicht dazu, aber in der Freizeit dürfen sie sein. Auch die Frage, was von einer Freizeit gepostet werden darf, sollte geregelt werden. Manchmal ist es schwierig, wenn Eltern aus Sorge ständig über das Smartphone Kontakt zu ihren Kindern halten. Das konnten wir vor allem auf den ersten Freizeiten nach der Coronazeit beobachten. Doch inzwischen scheint die Angst überwunden zu sein. Die Freizeiten boomen wieder und Eltern vertrauen uns ihre Kinder an.“

Klassiker auf einer Jugendfreizeit: abends zusammensitzen und reden.

Foto: Jugendfreizeit Langerfeld

Was hat die Pandemie noch verändert?

Hermes: „Manche Kinder und Jugendliche kennen ein Leben in Gemeinschaft nicht mehr. Das zeigt sich besonders, wenn es um die Mahlzeiten geht. Wir beobachten, dass viele Familien im Alltag nicht mehr gemeinsam essen, sondern die Jugendlichen für sich alleine, wenn sie nach Hause kommen. Wir erleben sie auch häufig hilflos, wenn sie Konflikte lösen sollen. Sozialkompetenzen müssen stärker eingeübt werden, aber genau dazu eignet sich eine Freizeit sehr gut.“

Gibt es Themen, die heute mehr im Fokus sind als früher?

Hermes: „Dazu gehört in jedem Fall die Diversität. Unsere Gesellschaft ist offener für dieses Thema geworden und die Kirche ebenfalls. Wenn Jugendliche sich nicht mit ihrem Geschlecht identifizieren, hat das natürlich Auswirkungen darauf, mit wem sie ein Zimmer oder das Bad teilen. Da brauchen wir neue Konzepte in der Sexualpädagogik, aber auch mehr rechtliche Klarheit. Im nächsten Jahr werde ich dazu eine Fortbildung anbieten.“

Wie herausfordernd ist eine Jugendfreizeit für die Mitarbeitenden?

Hermes: „Sie erfordert richtig viel Engagement! Die Freizeiten müssen genau geplant werden, womit mindestens ein halbes Jahr vorher begonnen wird. Und dann ist Flexibilität am Ferienort gefordert, denn es ergeben sich immer Überraschungen, die so manche Planung über den Haufen werfen. Konflikte müssen gelöst werden, einzelne in der Gruppe brauchen mehr Aufmerksamkeit als andere. Für die Teamer ist das oft harte Arbeit – und die machen sie ehrenamtlich. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir in unseren Gemeinden so viele engagierte Jugendmitarbeitende haben. Ohne sie wären die Freizeiten nicht möglich.“