Top Wuppertal Inszenierte Wein-Geschichte(n)

Wuppertal · Diese Rekordmeldung machte weltweit Schlagzeilen: Für 558.000 Dollar versteigerte das Aktionshaus Sotheby’s 2018 eine einzige reguläre 0,75 Liter-Flasche Wein. Objekt der Begierde eines anonymen asiatischen Privatsammlers war der legendäre Romanée Conti des Jahrgangs 1945, eine Rarität aus dem Burgund, die auch bei einem Wuppertaler besondere Erinnerungen weckt: Der Klassiker gehört zu den Flaschen, die Günter Krings im Rahmen seiner „Weinportraits“ fotografisch in Szene gesetzt hat.

Der Romanée Conti von 1945 – für mehr als eine halbe Million Dollar versteigert und hier von Günter Krings mit drei Grazien der antiken Mythologie in Szene gesetzt.

Foto: Günter Krings

Der Vohwinkeler ist Wuppertals Nestor auf dem Gebiet der inszenierten Fotografie und blickt mit 87 Jahren auf sechs kreative Jahrzehnte hinter der Kamera zurück. Der gelernte Industriekaufmann entdeckte 1960 die Fotografie für sich und fand vor allem mit seinen markanten Kompositionen, die Bühnenbildern ähneln, internationale Anerkennung.

Davon erzählen über 200 Ausstellungen in mehr als 20 Ländern, zahlreiche Auszeichnungen und die Berufung zum ordentlichen Mitglied der hoch angesehenen Deutschen Gesellschaft für Photographie. Seine Arbeiten findet man im Deutschen Bundestag genauso wie im Kölner Museum Ludwig oder im Von der Heydt-Museum – und natürlich in großer Zahl im Untergeschoss seines Hauses am Scottweg. Viele davon stilisieren die größten Weine der Welt als Kunstobjekt. (Bilder:)

„Weinportraits“ von Günter Krings aus Wuppertal​
10 Bilder

„Weinportraits“ aus Wuppertal

10 Bilder
Foto: Günter Krings

Auf die fotografische Beschäftigung mit Flaschen, die Weingeschichte schrieben, kam Krings vor vielen Jahren beim Urlaub auf Sylt. Dort war der Chef der berühmten „Sansibar“ bei einer Vernissage auf die ungewöhnlichen Bilder des Wuppertalers aufmerksam geworden, weil dabei auch Weinflaschen als Motiv auftauchen. Und Wein ist auf Sylt nun mal das Thema des bundesweit bekannten Szene-Lokals. Per auf einer Serviette aufgesetztem Vertrag wurde Krings beauftragt, für die nächste Saison eine Ausstellung mit Fotos prominenter Weinflaschen aus dem Bestand der „Sansibar“ zu erstellen – die Geburtsstunde der „Weinportraits“.

Die sind keine profanen Fotos, sondern folgen der Philosophie, die sich durch Günter Krings‘ Gesamtwerk zieht: „Ich will keine Fotos machen, sondern Bilder schaffen, die Geschichten erzählen“, erklärt er seine Arbeitsweise. Wie bei allen seinen Inszenierungen erschuf er auch für die Weinflaschen handgemalte und modellierte Hintergründe, integrierte in den historischen oder thematischen Zusammenhang passende Accessoires in die Arrangements und manipulierte auch die Flaschen selbst so, dass sie alt aussehen und besondere Wirkung entfalten. Die Bilder spiegeln Verfall und Vergänglichkeit, strahlen aber auch so viel Wucht und Würde aus, dass man sofort unterschreiben möchte, wenn Krings erklärt: „Eine schöne Flasche hat keinen Charakter!“

Die „Weinportraits“ sind daher Fotografien, die Auge und Gedanken gleichermaßen fesseln. Beim Mouton Rothschild 1945, der per Etikett auf das Jahr des Sieges verweist und ebenfalls zu den teuersten Weinen der Welt gehört, hat Krings das Kriegsthema durch den blutroten Hintergrund und Symbole der Zerstörung aufgegriffen. Und um den Rekord-Rotwein Romanée Conti tänzeln auf einer Tontafel drei für Festesfreude stehende Grazien der antiken Mythologie, die Krings immer schon fasziniert hat.

Günter Krings.

Foto: Krings

Ein weiteres Werk vereint alle sechs Weine, die 1900 in Berlin bei einem Dinner zu Ehren des deutschen Kaiserpaares gereicht wurden. Flaschen und Etiketten hat Krings mit Hilfe spezieller Händler eigens dafür rekonstruiert. „Ich bin Bildermacher, ich muss ja keine Echtheit nachweisen“, schmunzelt er über das, was man heute als „Fake“ bezeichnen würde …

Die tiefgründigen Wein-Inszenierungen kamen gut an – Krings lieferte damit nicht nur jahrelang die Bebilderung des Weinkatalogs der „Sansibar“, sondern zog auch international die Aufmerksamkeit der Wein-Szene auf sich. Er lieferte ein Titelbild für das führende Weinkultur-Magazin „vinum“, verkaufte ein Bild des Mouton Rothschild an den Inhaber des Getränkekonzerns Ricard und findet bis heute über einen koreanischen Weinagenten Abnehmer für seine Drucke in Asien, obwohl er künstlerisch längst neue Motive in den Fokus genommen hat.

„In den letzten Jahren habe ich mir meine Themen selbst gestellt: kritische Betrachtung des Alltags, der Politik und der Kirche“, so Krings. „Es geht dabei oftmals um Gewalt, um Machtmissbrauch.“ Ausdruck davon ist nicht zuletzt eine ganz aktuelle Bilderserie zum Ukraine-Krieg, die belegt, dass Krings auch mit 87 noch ganz dicht am Puls der Zeit ist. Accessoires für atmosphärisch beeindruckende Inszenierungen wie „Der Aggressor“ oder „Zerstörung“ hat er reichlich in petto.

Der in vielen Jahrzehnten vor allem auf Flohmärkten zusammengetragene Fundus nimmt inzwischen einen ganzen Kellerraum mit meterlangen Regalen im Haus des Künstlers ein, bei dem nicht nur die künstlerische Schaffenskraft ungebrochen ist: „Ich spiele zweimal wöchentlich zwei Stunden Tennis“, verrät Krings. Einen guten Wein gönnt er sich danach allerdings eher nicht. Denn auch, wenn er die großen Namen alle vor der Linse hatte: Die guten trockenen Tropfen sind ihm nie wirklich bekommen ...