Silke und Marcus Jungmann Was ist „top“ an Wuppertal?
Wuppertal · Die Aufgabe, das zu beschreiben, was an Wuppertal top ist, führt in die Normalität einer Ehe – oder sagen wir in den schlechten Teil einer Ehe, wo es darum geht, Recht zu haben. Wirklich top darin, Recht zu haben, ist ohne Zweifel jeder Wuppertaler. Seilbahn ja oder nein, Bundesgartenschau ja oder nein, verkehrsberuhigte Zonen ja oder nein, es gibt nichts, worüber der Wuppertaler nicht streitet, und jeder möchte nur eines: Recht haben.
Unsere Gespräche beim Abendessen drehen sich darum, dass Wuppertal, abgeschlagen bei Wachstum und Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, wirklich Besseres zu tun hätte, als sich ständig mit sich selbst zu beschäftigen. Die Verwaltung hat immer Recht, vielleicht wollen auch deshalb so viele dort arbeiten und nicht da, wo man sich jeden Tag rechtfertigen muss, wie in unseren Unternehmen. Viertagewoche und Homeoffice werden uns sicher nicht top machen.
Wirklich Recht haben aber nur diejenigen, die alles versucht haben. Ob gescheitert oder erfolgreich. top ist nur der Wuppertaler, der die Frage, ob er alles gegeben habe, top beantworten kann. Top im Einsatz. Top bei Freundlichkeit und Rücksichtnahme, wie etwa der Autofahrer auf den Radfahrer und der Radfahrer auf den Fußgänger. Top im Sport – der WSV steht da, wo unsere Stadt steht – in der vierten Liga. Top im Ehrenamt, etwa wenn wir versuchen, unsere neuen Wuppertaler, die jetzt zu uns kommen, zu integrieren. Top im Zuhören statt im Rechthaben. In jeder Meinungsblase hat jeder Wuppertaler immer vor allem eines: recht.
Wer top Recht behalten will, muss ein Ziel haben. Ziel sollte es sein, das zu verteidigen, wo Wuppertal heute schon top ist: grüne Großstadt und bürgerschaftliches Engagement. Vor allem aber sollte es unser Ziel sein, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die die Lebensqualität aller Menschen in unserer Stadt auch wirtschaftlich verbessert.
Die Politik, der Bürgermeister, der Rat und die Parteien haben eben nicht top Recht, wenn sie sich nur untereinander streiten, goldene Bänke aufstellen oder schon Durchfahrverbote, so gerechtfertigt diese auch sein mögen, für eine Leistung halten. top Recht haben diejenigen, die wirklich etwas vorzuweisen haben für unsere Stadt, zum Beispiel die Junior Uni, die Nordbahntrasse, das Pinguin-Becken im Grünen Zoo, die Orgel in der Stadthalle oder die Dauerleihgabe eines Karl Schmidt-Rottluff für das Von der Heydt-Museum.
Zurück an unseren Abendbrottisch: Stundenlanges Recht haben ist anstrengend. Am Ende muss die Liebe stehen – auch zu Wuppertal. Also nicht recht haben, sondern liebhaben.