Außenbezirke werden vom „Rollenden Kanal“ angefahren Lieber Abgase als Schilf?

Ein Wuppertaler Ehepaar darf seine Pflanzenkläranlage nicht länger betreiben. Die Abwässer des Haushaltes sollen künftig per LKW in die Großkläranlage. Die Umrüstung könnte bis zu 60.000 Euro kosten.

Brigitta Wego vor ihrer Pflanzenkläranlage. Die Mikroben im Wurzelgeflecht des Schilfs übernehmen die Reinigungsarbeit.

Brigitta Wego vor ihrer Pflanzenkläranlage. Die Mikroben im Wurzelgeflecht des Schilfs übernehmen die Reinigungsarbeit.

Foto: Simone Bahrmann

Seit über 20 Jahren hat das Wuppertaler Ehepaar Wego am Aprather Weg im Eckbusch auf seinem Grundstück für sechs Personen eine Pflanzenkläranlage betrieben. Die Anlage, die immer gewartet wurde, würde so gut arbeiten, dass durch die natürliche Filtration „superklares Trinkwasser“ als Endprodukt herauskäme, das im Boden versickert, erzählt Dieter Wego.

Doch die Tage dieser Kleinkläranlage sind gezählt. Häuser, die aufgrund ihrer Ortslage nicht an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen sind, haben bisher eine Ausnahmegenehmigung dafür erhalten, eine derartige Anlage zu betreiben. Diese Ausnahmegenehmigungen laufen nun nach und nach aus.

„Der Gesetzgeber ist strenger geworden, primär sollen Abwässer nur noch in großen Anlagen geklärt werden“, weiß Ulrich Timo Christenn (Grüne), Vorsitzender des Umweltausschusses. „Da sind heutzutage viele Medikamente im Abwasser, die werden in den Kleinkläranlagen nicht herausgefiltert und landen im Grundwasser“. Wo die Genehmigung zum Betrieb einer Kleinkläranlage auslaufe, werde nun genauer hingeschaut und dort, wo es sinnvoll ist, ein Kanal gelegt oder der rollende Kanal fahre die entsprechenden Haushalte an.

„Das ist selten nachvollziehbar für den Einzelnen, wenn der Nachbar seine Anlage weiterlaufenlassen kann“,weiß Christenn. Die Genehmigungen für die Kleinkläranlagen laufen zu unterschiedlichen Zeiten aus. „Das macht es schwer, mehrere Betroffene zusammenzubekommen, um vielleicht gemeinsam etwas bewirken zu können“, ergänzt Brigitta Wego.

„Abwasser, das in Privathaushalten anfällt, darf erst nach Vorbehandlung in einer Kleinkläranlage in ein Gewässer beziehungsweise in das Grundwasser eingeleitet werden. Für die Einleitung ist eine Erlaubnis der Unteren Wasserbehörde erforderlich“, heißt es in einer Information der Stadt Wuppertal. Diese Erlaubnis der unteren Wasserbehörde läuft jetzt bei den Wegos ab. Eine neue Genehmigung wird wohl nicht erteilt. „Nun geht die Stadt daher und verbietet das, das kann ja wohl nicht sein“, ist Brigitta Wego ratlos. Damals, vor über 20 Jahren, sei der Betrieb ihrer Anlage sogar noch gefördert worden.

Die Stadt Wuppertal fordet nun, für die Abwässer eine Sammelgrube anzulegen. Die Größe der Grube und weitere technische Einzelheiten sind in der Abwasserbeseitigungssatzung der Stadt Wuppertal geregelt. Der Bau kommt der Familie teuer zu stehen. „38.000 bis 60.000 Euro kostet das, schätzt Dieter Wego. Die gesammelten Fäkalien werden mit dem „Rollenden Kanal“ – das sind spezielle Saug-LKW – abgefahren und zu einer Großkläranlage gebracht. Für die Entsorgung des Schmutzwassers aus der Sammelgrube erhebt die Stadt Wuppertal eine Gebühr. Der Gebührensatz beträgt ab 2023 4,13 Euro je Kubikmeter. Der Klärschlamm aus der Pflanzenkläranlage wurde zuvor auch aus einem Sammelbecken gesaugt, aber nur einmal im Jahr.

Der Einsatz des Rollenden Kanals wird immer wieder kritisiert. „Es wird viel Diesel verbrannt“, so Christenn. Doch ein unterirdisches Kanalrohr kann nicht immer gebaut werden. Über mehrere Kilometer hinweg würde das Kostenmaß überschritten. Die WSW Energie & Wasser AG betreiben im Auftrag der Stadt Wuppertal das öffentliche Kanalnetz mit einer Länge von rund 1500 Kilometern. Neben dem Betrieb plant und baut die WSW sämtliche Abwasserkanäle und Sonderbauwerke im Stadtgebiet Wuppertal.

Der Ressort Umweltschutz der Stadt Wuppertal beruft sich auf das Landeswassergesetz. Hier heißt es, dass Städte und Gemeinden grundsätzlich dazu verpflichtet sind, das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen. Eine Ausnahmegenehmigung ist auf 20 Jahre befristet. Danach wird jeder Einzelfall wieder neu geprüft.

„Ich habe eine Auffahrt gebaut, deswegen kann der LKW auch im Winter zu uns fahren. Hätte ich das nicht gemacht, hätte ich die Pflanzenkläranlage behalten können“, ärgert sich Brigitta Wego im Nachhinein. In der Satzung heißt es tatsächlich, wenn der Abwasser-Wagen „das betroffene Grundstück wegen der Beschaffenheit der Verkehrsanbindung nicht ganzjährig anfahren kann“, kann eine Ausnahmegenehmigung gerechtfertigt werden.

Die Wegos möchten sich wehren und haben bereits den Oberbürgermeister Uwe Schneidewind angeschrieben. Auch mit den Grünen wollten sie „dagegen angehen“, zeigt sich Dieter Wego kämpferisch.

„Bisher waren keine Klagen erfolgreich“, muss Ulrich Christenn die Hoffnungen bremsen. Dennoch versuchten die Grünen und die CDU im Umweltausschuss als Vermittler tätig zu werden und den betroffenen Bürgern zu helfen, um Ausnahmegenehmigungen und Kompromisse zu erwirken. Die Zahl der Kleinkläranlagen hat in den vergangenen Jahren abgenommen. „Es werden immer weniger Anlagen, es sind jetzt noch etwa 100 bis 120“, sagt Christenn.

(WAR)