Aus dem Tagebuch der Redaktion ... nur ’ne arme Wurst!

Neptun wäre vermutlich jetzt sauer. Stinksauer. Galt der römische Gott des fließenden Gewässers doch als meist übellaunig, zornig und überaus rachsüchtig. Gar nicht auszumalen, was der Herr mit dem Dreizack angestellt hätte, wäre er am vergangenen Wochenende dabei gewesen, als Punks seinen Brunnen, also den Neptunbrunnen am Neumarkt, verwüstet haben.

Rundschau-Redakteurin Nicole Bolz.

Foto: Bettina Osswald

Was in den Worten der Punks richtig sympathisch klingt — man habe "die Sonne genießen und einen Farbfleck in den sonst so grauen Alltag der Stadt zaubern" wollen und den Brunnen kurzerhand mit Spülmittel in ein "Schaumbad" verwandelt — sorgte bei Passanten und Polizei für weit weniger Freude.

Was natürlich auch an den ausgehebelten Pflastersteinen, den vielen Glasflaschen, dem Müll und den Schmierereien rund um den erst im vergangenen Jahr für 100.000 Euro sanierten Brunnen liegen könnte. Schließlich genießen die meisten Menschen die Sonne für gewöhnlich weniger destruktiv. Das ist dem arglosen Anarcho aber völlig unbegreiflich.

Vermutlich wollte man dort, bei des Meisters Brunnen, ja auch nur das Neptunalia-Fest begehen, mit dem man schon im antiken Rom einst die sommerliche Trockenheit bekämpft hat. Es heißt, das Fest habe schon am frühen Nachmittag mit fröhlichen Trinkrunden begonnen. Und so taten es ihnen die Punker gleich. Das lief soweit auch ganz gut bis, ja bis die Sache mit den Opfertieren anstand. Die gab es nämlich auch traditionell bei der feucht-fröhlichen Neptunalia-Party. Es ist zu lesen, die Götter hätten am liebsten Stiere geopfert bekommen. Weil aber von denen heute bekanntlich nur sehr wenige am Elberfelder Neumarkt herumlaufen, gerieten die gesamte Feierlichkeiten außer Kontrolle.

Wahrscheinlich auf der Suche nach geeignetem Opferpersonal strandete so eine Gruppe der Punks auf dem Laurentiusplatz, wo sich gerade Toshiyuki Kamioka mit seinem Sinfonieorchester auf der Bühne versammelt hatte, um mit den Wuppertalern den musikalischen Saisonabschluss zu feiern. Verwirrt ließen sich die Punks auf dem Boden nieder — beschwerten sich aber lautstark, weil es überraschenderweise weder Punkmusik noch Stiere gab. Auch wollten sich die anderen Besucher gar nicht so recht in Pöbeleien verwickeln lassen. Nur der lustige Japaner auf dem Dirigentenpodium äffte die Störer pantomimisch nach — und erhielt dafür auch noch Applaus.

Derart von der Muse geküsst, verschlug es bei Ravels "Bolero" sogar den Punks das Grölen, während auf dem Neumarkt die Lage eskalierte — und die Polizei die Feierlichkeiten abrupt beendete.

Und was sagt uns das alles? Dass die Kunst vermag, was selbst der Zorn der Götter nicht schafft. Und dass gegen Toshiyuki Kamioka der alte Neptun nur 'ne arme Wurst ist.