Aus dem Tagebuch der Redaktion Straßen-Treppen-Wände-Texte

Wenn die Rundschau-Redaktion Mittagspause macht, geht's meistens zum Laurentiusplatz, Islandufer oder zum Kirchplatz. Auf den Wegen dorthin — und auch sonst in der Stadt — trifft man auf eine neue Street-Art-Form: Texte, geschrieben auf Wände, Treppenstufen oder den Boden.

Straßen-Botschaft.

Foto: Stefan Seitz

Mit Pinsel, Spraydose oder Kreide. Nicht nur einfache Slogans, sondern ganze Sätze mit Botschaften.

Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Foto: Bettina Osswald

Am Islandufer unten an der Wupper ist zu lesen (schon sehr verblasst): Es heißt Trilogie, nicht Triologie! Von wegen Bildungsnotstand! Die Aussage ist korrekt und zeugt von literaturwissenschaftlicher Sachkenntnis. An alle Schlauschwätzer: bitte merken!

Auf dem Bismarckstegboden (bereits vom Regen weggewaschen): Der Untergang der Welt ist schon vorbei! Nichts davon mitbekommen, Glück gehabt. Auf den Stufen zwischen IHK und Sparkasse: Zu Fuß das Klima schützen — nazifrei. Das muss man unbedingt unterschreiben!

Immer wieder stößt man auch auf die Aktion #einquadratmeter: Gemalte Ein-Quadratmeter-Quadrate machen auf den wenigen Platz aufmerksam, den Mastrinder zum Leben haben. Oder aufs Lebensmittelwegwerfen und Trinkwasserverschwenden. Oder stellen die Frage, wie lange die sehr seltenen, fast noch urzeitlichen Przewalski-Pferde überleben werden. Wer hier mal nicht wegen überflüssiger Smartphone-News nach unten schaut, kann ein Stück (neue) Nachdenklichkeit lernen. Meine Lieblingsbotschaft steht auf der Brücke von der Südstraße zum Wall: Ahnungsvoll durch die Nacht — es ist einfach schön, wenn jemand ein kleines Stückchen Literatur gegen Helene Fischer setzt. Auch wenn's wenig nützt ...

Apropos Literatur: Im Sommer 2008 wollte der Wuppertaler Künstler und Kunstlehrer Heinz Velten auf den öde schwarz-grauen Boden des Platzes am Kasinoplatzes die erste Strophe des Else-Lasker-Schüler-Gedichtes "Ich bin verliebt in meine Stadt" schreiben. In großen weißen Buchstaben, die sich schlangenförmig winden, so dass der Text beinahe den ganzen Platz bedeckt hätte. Erlaubt hat man ihm das nicht.

Weil, so führte damals die Verwaltung wortreich aus, der Künstler, der das dämliche Handstandmännchen am Rand des Platzes gemacht hat, ein Vorrecht auf die Unveränderlichkeit des Umfeldes seines Kunstwerkes habe. Und weil die Mehrheits-Politiker in der Bezirksvertretung Elberfeld, die hier zuständig ist, sich nicht getraut haben, mal was zu riskieren.

Ach mein Wuppertal, du Hort der kleinen Lichter ...