Kommentar zur Oberbürgermeisterwahl Zum ersten und letzten Mal ...
Wuppertal · "War eigentlich klar" — ich höre sie schon, die neunmalklugen Kommentare nach der ersten Hochrechnung am Sonntag. Wenn zu erkennen ist, wer bei der Oberbürgermeisterwahl die Nase vorn hat. Dabei gibt es etliche Unwägbarkeiten.
Denn solch eine Wahl hat Wuppertal noch nicht gesehen. Und wird sie auch in absehbarer Zeit nicht mehr erleben. Denn am kommenden Sonntag (und vielleicht in zwei Wochen noch einmal) geht es "nur" um ein einziges Kreuz in der Wahlkabine, um eine einzige Person — allerdings immerhin um das Stadtoberhaupt. Und für mich ist da längst nicht alles klar.
Denn für eine solche, quasi isolierte Persönlichkeitswahl gibt es keine Erfahrungswerte. Der jeweilige Parteien-Bonus, wenn es denn überhaupt einer ist, spielt sicher nicht die Rolle wie bei der üblichen kombinierten Stadtratswahl. Die Kandidaten waren im Wahlkampf trotz ihrer parteilichen Bindung mehr als sonst auf sich alleine gestellt, spielten gelegentlich aber auch mit Bedacht die eigene Karte, um einen unabhängigen Eindruck zu vermitteln.
Tatsächlich habe ich in den vergangenen Wochen erstaunliche Einschätzungen vernommen. Da gab es CDU-Mitglieder, die mit Mucke liebäugelten, weil sie ihn "als überaus sympathisch" wahrgenommen hatten. Da gaben klar links orientierte Menschen an, möglicherweise erstmalig einen CDU-Kandidaten zu wählen. Da hörte man nicht selten Stimmen, die Marc Schulz als Jungs "wahren Herausforderer" einstuften, der die Große Kooperation von CDU und SPD im Rat ordentlich aufmischen würde. Schließlich hat Mucke die rechnerisch mögliche Variante eines Machtwechsel zugunsten einer Ampel-Koalition nie in Erwägung gezogen. Insgesamt eine komplizierte Gemengelage, die manches offen lässt. Zumal sich die Wahlbeteiligung schlecht prognostizieren lässt. Denn auch da streiten die Polit-Experten: Ruft die Solo-Wahl der Stadtspitze mehr oder weniger Bürger an die Urne?
Entsprechend offen ist, ob "Titelverteidiger" Peter Jung am Sonntag eine absolute Mehrheit der Stimmen gewinnt — schließlich hatte er schon 2009 zwölf Prozent mehr als seine Partei geholt. Oder kann Andreas Mucke den knappen SPD-Kommunalwahlerfolg als Rückenwind nützen, um zumindest in die Stichwahl zu kommen? Kann am Ende gar Marc Schulz an Mucke vorbeiziehen, oder holen die anderen Außenseiter insgesamt so viele Stimmen, dass es schon ihretwegen zur Stichwahl der beiden Wahlsieger kommt? In der die Karten wieder ganz neu gemischt werden ...
Vieles ist möglich, so eine unabhängige OB-Wahl hat ihren Reiz. Auch wenn das direkt gewählte Stadtoberhaupt letztlich die Beschlussfassungen des Rates zu befolgen hat. Aber ab 2020 werden nach dem Entscheid der rot-grünen Landesregierung Rat und Oberbürgermeister wieder parallel gewählt. Eigentlich schade ...