Kommentar: Meldeamt, Zulassungsstelle & Co. Unwürdige Warteschlangen
Wuppertal · Mir graust schon vor 2018. Dann laufen mein Personalausweis und Reisepass ab. Und meine Lust, in einer mehre Hundert Meter langen Warteschlange am Steinweg stehen zu müssen, geht gegen Null.
Der Anblick der dortigen Situation, der sich in der Vergangenheit ganz extrem und auch jetzt immer noch bietet, ist unwürdig für eine deutsche Großstadt. Essensausgabe für Bedürftige? Aufnahmestelle für Flüchtlinge? Dass es da, wo es um so etwas geht, Warteschlangen gibt, ist schon schlimm genug. Aber am Einwohnermeldeamt der siebzehntgrößten deutschen Stadt? Eine Schande. Dass es zusätzlich in der Kfz-Zulassungsstelle auch nicht viel besser läuft, schlägt dem längst übervollen Bürgerservice-Fass eindeutig den Boden aus. Wozu "wunderbar" passt, dass auch in Sachen Baugenehmigungen über extreme Bearbeitungswartezeiten geklagt wird. Früher gab es Bürgerbüros in den Stadtteilen — und ausreichend Personal in den Bereichen der Verwaltung, deren Arbeit die Bürger sehen und spüren. Aber offenbar ist das alles zu teuer.
Eine Stadt ist keine Firma, die irgendetwas produziert und nur auf Einnahmen und Ausgaben zu schauen hat. Eine Stadt ist ein komplexer Lebensraum, in dem es um Atmosphäre, Zuhause-Sein und Identifikation geht. Der Eindruck, den momentan viele Bürgern von "ihrem" Wuppertal haben, ist fatal. Er lässt sich etwa so auf den Punkt bringen: Überall da, wo man ihnen etwas wegnehmen kann, etwa in Sachen motorisierte Knöllchenschreiber auch in entlegenen Wohnvierteln sowie Gebühren & Co., wird nicht gespart. Dort aber, wo die Stadt ihren Bürgern etwas geben könnte, nämlich beispielsweise den Service, der für eine deutsche Großstadt des 21. Jahrhunderts angemessen ist, hapert es gewaltig.
Wuppertal braucht unbedingt ein Konzept, wie angesichts von Sparzwängen mit dem Thema Bürger-Service kreativ umgegangen wird. Das gebetsmühlenartige Mantra vom Haushaltsausgleich ist schön und gut. Wenn aber am Ende der Ausgleicherei steht, dass zwar rechnerisch das Ziel erreicht, die Stimmung aber im Keller ist, steht auf dem Papier ein Sieg, "in echt" handelt es sich aber um eine Niederlage. Eine Stadt ist kein Rechenbeispiel. Eine Stadt ist ein Zuhause. Das dürfen weder Politik noch Verwaltung vergessen.
Apropos Politik: Alle, die (in unserer Stadtspitze) die Sparzwänge beklagen, haben Parteifreunde und Parteigenossen im Landes- und Bundesparlament. Die müssen (mit) in die Pflicht. Und zwar schnell.