Kommentar zur Europawahl am Sonntag Bitte wählen gehen - und nachdenken, wen!
Wuppertal · Seilbahn, Seilbahn, Seilbahn – und kein Ende ... Da gerät die Europawahl, die am Sonntag ja eigentlich das Hauptereignis ist, fast in Vergessenheit.
Dabei wäre es schön, wenn das große und wichtige „Projekt Europa“, das es schon so lange gibt, mindestens genauso viel Leidenschaft entfachen würde wie die theoretisch mögliche Seilbahn, die es noch überhaupt nicht gibt.
Europawahlen waren selten richtige Renner. Eigentlich unverständlich, denn Europa bestimmt so vieles – etwa durch Fördergelder auch eine ganze Menge, das direkt vor unserer Haustür, hier in Wuppertal, möglich wurde. Ja – es gibt sie, die mit EU-Geld in die landschaftliche Leere kanarischer Inseln gesetzten Kreisverkehre. Aber es gibt eben auch die Hardt-Gewächshäuser, die „Soziale Stadt“, die Nordbahntrasse oder den neuen Nordpark: All das wäre ohne zu großen Teilen fließendes EU-Geld nicht realisierbar gewesen. Unsere Stadt hat sich dank Europa verbessert – an vielen Stellen, in vielen Stadtteilen.
Ja – es gibt sie, diese abstrusen EU-Verordnungen, die uns immer mal wieder die Haare zu Berge stehen lassen. Aber man sollte stets fragen: Warum gibt es sie? Beispiel Bananen: Dass deren Krümmungsgrad geregelt wurde, haben sich nicht irgendwelche Europa-Kommissare „einfach so“ ausgedacht. Nein, vielmehr haben die Handelsorganisationen, die die Bananen zu den Bürgern bringen, von der EU gefordert, den „Wildwuchs“ der gelben Früchte zu reglementieren. Und weil diese Organisationen Einfluss haben, wurde ihre Forderung umgesetzt. Darüber informierte schon vor Jahren der heutige NRW-Innenminister und damalige CDU-EU-Mann Herbert Reul in der Politischen Runde der VHS. Solche Hintergründe gehen aber gern unter im allgemeinen Ahnungslosigkeits-Gezeter der angeblich sozialen Medien & Co.
Die EU ist ein starkes Fundament für das friedliche Zusammenleben auf unserem Kontinent. Und ein starkes Argument für die Freiheit – beispielsweise für die Freiheit zu reisen, die Freiheit, den Arbeitsplatz und den Platz, wo man leben möchte, selbst zu wählen.
Was aber auf keinen Fall geschehen sollte: Dass die, die Europa gar nicht wollen (die Fördermittel der EU aber sehr wohl – und zwar bitte richtig viel, um ihre Reichen noch reicher zu machen und dann fette Zäune hochzuziehen, damit außer Geldscheinen nichts anderes mehr in diese Länder kommt!) am Sonntag noch stärker werden, als sie es leider schon sind.
Man kann trefflich streiten über christdemokratische oder sozialdemokratische, über liberale oder grüne oder linke Europa-Schwerpunkte: Gut wäre, wenn sie alle uns ihre Vorstellungen (vor allem in Sachen Soziales!) klarer, mutiger, verständlicher mitteilen würden.
Wogegen man aber streiten muss, sind der Nationalismus und das Scheuklappendenken, die den Europa-Gedanken aushöhlen – und nichts anzubieten haben, das auch nur einen Deut besser wäre. Ich werde das nie verstehen: Da gibt es ein gemeinsames Haus, das man sich mit Freunden (mit denen man natürlich nicht immer einer Meinung ist!) zusammen gebaut hat. Das Haus wird nie perfekt, immer gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Aber nimmt man sich deswegen einen Mieter unters Dach, von dem man weiß, dass er ein Brandstifter ist, und das gemeinsame Haus hasst?
Meine Bitte: Gehen Sie am Sonntag zur Wahl. Und überlegen Sie gut, wo Sie Ihr Kreuz machen. Werfen Sie Ihre wertvolle Stimme nicht irgendwelchen Wölfen im Schafspelz zum Fraß vor.