Kommentar zum Bundestagswahlkampf Eine Bewertung in Scoville ist Quatsch
Wuppertal · Mal eben ein kleiner Hinweis: In sechs Wochen steht die Bundestagswahl an. Bislang läuft der Wahlkampf auf Sparflamme. So sehr, dass sich einige Medien weinerlich beschweren, langsam müsse es doch mal kernig losgehen. Eine skurrile Sichtweise: Erstens sind Journalistinnen und Journalisten nicht dazu da, die Qualität eines Wahlkampfs in Scoville zu bewerten. Und außerdem: Was ist so schlimm daran, wenn es gesittet zugeht?
Gesittet heißt dabei keineswegs ohne kritische Auseinandersetzung. Themen gibt es reichlich, und die werden auch intensiv diskutiert: der Umgang mit der Corona-Pandemie, der Klimawandel, die Zukunft der jungen Generation, die soziale Gerechtigkeit, der Kampf um die Demokratie sowie gegen den Hass im Internet und Extremismus. Und noch ganz viel mehr.
Nicht weniger als 47 Parteien sind vom Bundeswahlleiter zugelassen. Eine Quantität, die ein gutes Zeichen ist. Natürlich wird auch diesmal das traditionelle „Die sind doch alle gleich“ zu hören sein. Das ist Unsinn: Die Ausrichtung ist kunterbunt, alle Richtungen – von ganz links bis ganz rechts – sind vertreten. Wie es in einer Demokratie sein muss und was Diktatoren so gar nicht mögen. Natürlich wird auch diesmal niemand die Partei finden, die die eigene Weltanschauung zu 100 Prozent abbildet. Wer das will, muss selber eine ins Leben rufen und kandidieren (und wird sich wundern, wie viel Kritik sie oder er einstecken wird). Schon der Blick in den großen Wuppertaler Wahlkreis (ohne Ronsdorf und Cronenberg) zeigt, dass keineswegs alles glattgebügelt ist: Die CDU setzt mit Caroline Lünenschloss eine Politikerin unter 30 Jahre gegen den emsigen Helge Lindh (SPD), der zuletzt das Direktmandat holte. Anja Liebert (Grüne) erhofft sich ein starkes Ergebnis. Manfred Todtenhausen steht für klassische liberale Politik. Alle gleich? Wo denn?
Einen Krawallwahlkampf braucht niemand, auch keine „gefakten“ Plakate (das zieht vielleicht in den USA, hier gottlob nicht). Klare Argumente und Perspektiven dagegen schon. Gefühlt seit mindestens 50 Jahren heißt es, die Wahl sei diesmal „absolut richtungsweisend“ und „die wichtigste aller Zeiten“. Bei den Problemen, vor denen die Welt steht, ist es heuer gar nicht so falsch. Richtig ist aber auch, dass die Wahlberechtigten das Wort haben. Und dass sie sich im Vorfeld ihre eigene Meinung bilden sollten. Der Wahlausgang ist das Ergebnis eines demokratischen Prozesses. Den es zu akzeptieren gilt, auch wenn er nicht im eigenen Sinne ausgefallen ist.