Kommentar Corona-Regeln: Kein Irrsinn und kein Stumpfsinn
Wuppertal · Corona hat viele Fragen aufgeworfen. Zum Beispiel die, wer sich so einen Satz ausdenkt ...
„Zulässig sind nur Dienst- und Handwerkerleistungen nach Absatz 1 Nummer 2 mit sichergestellter einfacher Rückverfolgbarkeit, wobei sowohl Kundinnen und Kunden als auch die Person, die diese Handwerks- oder Dienstleistungen ausführt, in Kreisen und kreisfreien Städten der Inzidenzstufen 2 und 3 über einen Negativtestnachweis verfügen müssen, wenn die Kundin oder der Kunde zulässigerweise nicht oder nicht dauerhaft eine Maske trägt, sowie der Mindestabstand nur zwischen der Kundin oder dem Kunden einerseits und der leistungserbringenden Person andererseits unterschritten werden darf, aber zwischen Kundinnen und Kunden untereinander ständig gesichert eingehalten werden muss.“
Er stammt aus der aktuell gültigen Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen und soll zum Beispiel Friseurbesuche regeln. Wenn Sie wie ich kein Wort verstanden haben, dann ersparen Sie sich besser den Rest der 37 klein beschriebenen Seiten dieses bürokratischen Ungetüms, das für uns allerdings bald wieder zentrale Bedeutung bekommen könnte. Und zwar dann, wenn Bund und Länder bei ihrer trotz signifikant steigender Corona-Zahlen erst am 10. August wieder tagenden Elefantenrunde ein ähnliches Durcheinander produzieren wie im Frühjahr.
Gut wären stattdessen einfache, bundesweit einheitliche und vor allem logisch nachvollziehbare Regeln, die Einschränkungen in ein vernüftiges Verhältnis zu Risiken, Lebensqualität und wirtschaftlichen Notwendigkeiten setzen. Das Land hat am Donnerstag mit der Aussetzung der Inzidenzstufe 3 einen Vorstoß in diese Richtung gemacht. Neu aufsetzen statt aussetzen wäre allerdings noch besser. Denn das ganz auf die Inzidenz abgestellte Regel-Instrumentarium aus der Vor-Impf-Periode taugt heute nicht mehr zur Bewertung der Situation. Faktoren wie die Auslastung der Intensivbetten, die Zahl der schweren Krankheitsverläufe und die Impfquote dürfen dabei nicht mehr länger ausgeblendet werden.
Sonst kommen wir irgendwann in eine Situation, die mich an ein eigentlich komplett anderes Thema erinnert: Der Brandschutz in öffentlichen Gebäuden oder die Sicherheitsauflagen bei Veranstaltungen sind mittlerweile auf ein Niveau geschraubt worden, das nahe legt, man könne auch die letzten existierenden Lebensrisiken mit regulatorischen Mitteln auf Null reduzieren. Das wird uns aber (siehe übrigens auch Stichwort Hochwasser) genausowenig gelingen wie der komplette Schutz von allen und jedem vor Corona.
Hier wie da wäre das gesunde Mittelmaß zwischen Vorsicht und Freiheit der richtige Weg wir brauchen weder Regel-Irrsinn noch Corona-Stumpfsinn. Ob Bund und Länder im Hinblick auf Corona ausgerechnet in Wahlkampfzeiten dieses Mittelmaß finden? Ich bin da etwas skeptisch. Politische Führungskräfte, die allein schon Monate gebraucht haben, um zu begreifen, dass nicht nur Flugreisende Corona nach Deutschland einschleppen können, werden jetzt wohl kaum plötzlich über sich hinaus wachsen.
Und dabei rede ich wohlgemerkt nicht von denen in Wuppertal. Denn die sitzen auch bei diesem Thema mal wieder am allerkürzesten Hebel, dürfen aber am Ende ausbaden, was in Bund und Land vergeigt wird ...