Kommentar zur Wupper-Überflutung Zur Not eben wieder die Sturmglocke
Wuppertal · Es mutet schon reichlich tragikomisch an: Anfang Juli weihte die Stadt Wuppertal freudig den neuen Von der Heydt-Platz in Elberfeld ein – ein Areal mit reichlich Betonplatten, Wasserspielen und ein paar Bäumen. Niederschläge verschwinden dort in der Kanalisation und dann in der Wupper. Wozu viele fast komplett versiegelte Flächen führen, das hat die Natur nur wenige Tage später allzu deutlich gemacht.
Sicher: Eine Katastrophe in diesem konkreten Ausmaß haben nur ganz wenige vorausgesehen. Besser gesagt: Nahmen die allermeisten nicht als in diesen Breitengraden realistisch an – obwohl Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sie schon seit Jahren prophezeien. Das ist auch der Grund, warum der Krisenstab um Johannes Slawig am Donnerstagabend Fehler einräumen musste in der Einschätzung der Lage an jenem Hochwasser-Mittwoch des 14. Juni ab etwa 17.30 Uhr. Ja, das Warnsystem hat nicht ausreichend funktioniert. Zumindest sind vorliegende Meldungen nicht rechtzeitig an die Betroffenen weitergegeben worden. In Beyenburg gibt es noch nicht einmal eine Sirene. Zweifelsohne: Das gesamte System muss auf den Prüfstand.
Ob eine sehr viel frühere Teilleerung der Wuppertalsperre sinnvoll und möglich gewesen wäre, wie von Schauspieler Harald Krassnitzer in Beyenburg nachdrücklich angemahnt, müssen die weitergehenden Analysen zeigen – und auch die politische Diskussion darüber, ob Hochwasserschutz Vorrang vor der Wasserversorgung hat. Klar ist aber auch: Flüsse wie die Wupper oder die Ahr so umzubauen, dass es keine Überschwemmungen mehr gibt, ist nicht möglich. Ganz davon abgesehen, dass die Bürgerinnen und Bürger es naturnah mögen und gegen durchgängig hohe Ufermauern protestieren würden Also müssen mehr Überschwemmungsflächen geschaffen – und eben weniger Areale versiegelt werden. Nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch im privaten, wo Vorgärten inzwischen reihenweise zu Parkplätzen umgebaut werden. Es ist Zeit umzudenken.
So schlimm das Hochwasser war und wie sehr die Folgen es sind – es gab auch starke Momente: Etwa den, als Bruder Dirk aus dem Kloster Beyenburg mit der Sturmglocke viele Menschen warnte. Ja, manchmal hilft auch „mittelalterliche“ Technik und ist die Digitalisierung nicht das Allheilmittel. Nicht zu vergessen die zahlreichen Freiwilligen, die unentwegt mit anpacken.
Es bleibt zu hoffen, dass die Betroffenen, die noch wochen-, monate- und zum Teil jahrelang mit den emotionalen und finanziellen Folgen zu kämpfen haben werden, in dieser schnelllebigen Zeit nicht rasch in Vergessenheit geraten. Und wenn, dann sollte Bruder Dirk wieder vehement die Sturmglocke läuten. Wasserspiele allein reichen dafür nicht aus.