Angebot des Caritasverbandes FASD-Beratung: „Bedarf enorm groß“

Wuppertal · FASD steht für „Fetal Alcohol Spectrum Disorder“, sprich: die Folgen von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft für die Neugeborenen. FASD steht damit vor allem für eine der häufigsten angeborenen Behinderungen, auch in Deutschland. In Wuppertal kümmert sich das FASD-Beratungszentrum des Caritasverbandes um die Betroffenen und ihr Umfeld. Rundschau-Redakteurin Nina Bossy sprach darüber mit den Mitarbeiterinnen Anke Weber, Julia Richartz und Gabriele Kirchner.

Gabriele Kirchner, Julia Richartz und Anke Weber (von li.) vor der FASD-Beratungsstelle an der Wuppertaler Hünefeldstraße.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Nina Bossy

Rundschau: Seit einem Jahr gibt es Sie hier als Team in der Hünefeldstraße. Was war der konkrete Auslöser für die Gründung der FASD-Beratungsstelle?

Kirchner: „In verschiedenen Tätigkeitsfeldern des Caritasverbandes, von der Suchtberatung bis zur Familienberatung, tauchte die Fetale Alkoholspektrum-Störung immer wieder als Thema auf. Dann haben wir, finanziert von der Stadt Wuppertal, eine Bedarfserhebung durchgeführt. Und festgestellt: Der Bedarf ist enorm groß. Denn bisher hatte sich kein einziges Angebot im Tal FASD angenommen. In verschiedenen Abteilungen, wie der Flexiblen Erziehungshilfe, der Familienpflege und der Suchtberatung, wurden FASD-Fachkräfte ausgebildet, um Betroffene und Angehörige optimal zu unterstützen.

Seit einem Jahr haben wir jetzt zusätzlich unser FASD-Beratungszentrum. Seitdem kommen zu uns Betroffene, im Kinder-, Jugend-, aber auch Erwachsenenalter. Und ihre Angehörigen: Eltern und Pflegeeltern, die im Umgang mit ihren Kindern Rat suchen. Wir bieten Fachberatung und schulen Menschen aus Bereichen sozialer Arbeit. Wichtig ist für uns, ein Netzwerk zu schaffen. Und dass FASD öfters bemerkt wird. Denn diese Störung ist ein großes Problem. Rund zwei Prozent der Kinder kommt mit FASD zur Welt.“

Rundschau: Warum ist FASD so verbreitet?

Weber: „Alkohol ist ein Zellgift, das während der Schwangerschaft bereits in kleinen Mengen einen hohen Schaden anrichten kann. Diese große Gefahr wird in unserer Gesellschaft eher verharmlost. So kommt es vor, dass Frauen gerade zu Beginn der Schwangerschaft weiter Alkohol konsumieren. Deshalb ist es auch wichtig, dass FASD mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Es ist eine zu 100 Prozent vermeidbare Behinderung, die aber, wenn sie einmal verursacht ist, ein Leben lang bleibt.“

Rundschau: Bleiben wir erst einmal bei den Babys. Woran kann man einen Säugling mit FASD erkennen?

Weber: „Die Babys haben Ein- und Durchschlafprobleme und sind unruhig. Sie können häufig schlecht Nahrung aufnehmen, können Herzschädigungen und andere Organschädigungen haben. Rein optisch fällt auf, dass sie erheblich kleiner sind und Entwicklung deutlich länger braucht. Bei Säuglingen gibt es auch im Gesicht typische Merkmale.“

Rundschau: Wie wirkt sich FASD denn konkret auf Heranwachsende aus?

Weber: „Menschen mit FASD leiden unter Anpassungsstörungen. Die Selbstregulierung fällt ihnen sehr schwer. Das bedeutet, auch wenn sie sich integrieren wollen, können sie sich auf Situationen schlechter einstellen und starke Gefühle – im Positiven und im Negativen – regulieren.“

Richartz: „Und bei Erwachsenen weist sogar die Biografie häufig auf die Störung hin. Sie haben Brüche im Lebenslauf, in den Beziehungen, der Wohnsituation. Die Anpassungsschwierigkeit begleitet sie ein Leben lang.“

Rundschau: Was raten Sie den Pflegeeltern und Eltern, die Sie beraten?

Richartz: „Wir helfen bei der Beantragung eines Behindertenausweises, gegebenenfalls eines Pflegegrades und in all den organisatorischen Schwierigkeiten im Alltag. Aber auch pädagogisch stehen wir ihnen zur Seite. Es kann sich erleichternd anfühlen, wenn man die Ursache für die Konflikte in der Beziehung zwischen Bezugsperson und Kind kennt. Wenn die Erziehungsberechtigten wissen, dass das Verhalten symptomatisch ist, ein Nicht-Können ein Nicht-Wollen ersetzt, fällt der Umgang damit viel leichter.“

Rundschau: Zu Ihnen kommen auch Betroffene, als Jugendliche oder auch als Erwachsene. Um was geht es dann bei der Beratung?

Weber: „Wir helfen Menschen, die für sich die Vermutung haben, von FASD betroffen zu sein, auf ihrem Weg zur Diagnose. Wir machen ein erstes Screening mit einem wissenschaftlich erarbeiteten Fragebogen. Dann helfen wir ihnen, ihre eigene Biografie aufzuarbeiten. Für die umfängliche Diagnostik werden Unterlagen wie Kinderfotos und Berichte benötigt. Hier können wir helfen, Kontakte zu ehemaligen Pflegeeltern aufzunehmen oder zur leiblichen Mutter.“

Richartz: „Und dann schauen wir ins Jetzt, in den aktuellen Alltag. Was tut der Person gut und was eher nicht? In welchem Beruf kommen ihre Fähigkeiten zutage, was schafft Motivation und Zuversicht?“

Rundschau: Wie schwer wirkt sich FASD auf den Alltag aus? Kann sich ein Leben mit FASD gut anfühlen?

Weber: „Ja, es kann gleichwertig schön sein. Aber dafür braucht es oft Hilfe und eine Gesellschaft und ein Umfeld, die Rücksicht nehmen, sich dem Thema annehmen und den Betroffenen mit Verständnis und Wertschätzung begegnen.“