Interview mit „FOCUS“ WDG: Kritik von Anwalt des Tatverdächtigen
Wuppertal · Der Strafverteidiger des 17-Jährigen, der am 22. Februar 2024 am Wuppertaler Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium vier Mitschülerinnen und Mitschüler bei einer Messerattacke verletzt haben soll, zieht in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „FOCUS“ einige Aussagen der Staatsanwaltschaft und Polizei in Zweifel.
Gegen den Oberstufenschüler, der sich weiterhin in einem Justizkrankenhaus befindet, wird wegen versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung in jeweils zwei Fällen ermittelt. Anwalt Mustafa Kaplan hält die Anklage für verfrüht. „Weder steht fest, wie es um die Psyche meines Mandanten bestellt ist. Noch ist klar, ob die äußerst oberflächlichen Verletzungen bei den Schülern, die lediglich ein kleines Pflaster erhalten haben, mit einem Gegenstand oder mit der bloßen Faust verursacht wurden“, sagte er gegenüber dem „FOCUS“.
Der Ablauf sei noch unklar, die Aussagen der Zeuginnen und Zeugen „gehen wild durcheinander, ergeben kein klares Bild und helfen daher nicht wirklich weiter“. Fest stehe seiner Meinung jedoch, dass die Polizei (und nicht die Schule) den „Amok-Alarm in diesem Fall verfrüht und letztendlich auch fehlerhaft ausgelöst“ habe. Kaplan rät dazu, „Staatsanwaltschaft und das Gericht doch einfach mal in Ruhe arbeiten“ zu lassen.
Bei dem 17-Jährigen handele es sich um einen „freundlichen und hochintelligenten jungen Mann“. Das zeige auch, dass sich „nahezu täglich sehr viele Schüler seiner Schule, ihre Eltern und auch Lehrer bei seiner Familie melden und die Hoffnung und den Wunsch aussprechen, dass er bald wieder auf die Beine kommt“, sagte Kaplan gegenüber dem „FOCUS“. In einigen Medien habe es Vorverurteilungen gegeben.
Eine psychische Erkrankung sei ihm nicht bekannt: „Mein Mandant stammt aus einer Bilderbuch-Migranten-Familie. Er ist nicht vorbestraft, integriert, weltoffen, bildungsdurstig. Er hat sowohl zu seinen Eltern als auch zu seinen Geschwistern ein liebevolles und harmonisches Verhältnis. Auch bei seinen Mitschülern und seinen Lehrern ist mein Mandant sehr beliebt. Er gehörte in den vergangenen Jahren immer zu den Jahrgangsbesten.“
Das geforderte psychologische Gutachten habe der Mandant nur „drei Tage nach dem Vorfall“ abgelehnt, weil er zu diesem Zeitpunkt „schwerverletzt und mit Fußfesseln am Krankenbett fixiert im Krankenhaus“ gelegen habe: „Von dem emotionalen Ausnahmezustand, in dem er sich befunden haben muss, ganz zu schweigen. Ich hatte das Gefühl, dass da auf die Schnelle Nägel mit Köpfen gemacht werden sollten. Das war aus meiner Sicht kein feiner Zug der Staatsanwaltschaft. Deshalb habe ich interveniert.“
Warum sich der 17-Jährige selber schwer verletzt habe, müssten „die nächsten Gespräche“ zeigen. Das gelte auch für das Schreiben, das er übergeben habe: „Wann genau mein Mandant einen Text geschrieben hat und was genau damit gemeint gewesen ist, bleibt noch völlig unklar.“ Die Vernehmungssituationen bei der Polizei hätten einige Schülerinnen und Schülern sowie Eltern „als sehr unangenehm empfunden“. Und weiter: „Sie hatten den Eindruck, dass die Polizei den Vorfall größer machen wollte, als es das tatsächliche Geschehen hergibt.“
Kaplan schließt das „FOCUS“-Interview mit den Worten: „Persönlich glaube ich nicht, dass mein Mandant bei seiner Festnahme erschossen werden wollte. Dies würde für mich keinen Sinn ergeben.“