Schumacher-Prozess in Wuppertal „Keine allzu schlaue Idee und eine dilettantische Tat“
Wuppertal · Es ist der erste Verhandlungstag im Prozess um die versuchte Erpressung der Schumachers und am Ende des Tages wird offensichtlich sein, in welch schwierigen Lage sich die Familie von Michael Schumacher seit dessen Ski-Unfall Ende 2013 befindet.
Ehefrau Corinna schirmt den Ex-Rennfahrer seither konsequent von der Öffentlichkeit ab. Immer wieder soll versucht worden sein, Bilder aus dem Krankenhaus und später auch aus dem häuslichen Umfeld an Medien oder auch an die Familie zu verkaufen. Für den Prozess am Wuppertaler Amtsgericht wurde Corinna Schumacher als Nebenklägerin zugelassen, vertreten durch zwei Anwälte. Denn ausgerechnet hier droht nun das, was unbedingt verhindert werden soll: Das Fotos - diesmal als Beweismittel - oder auch sensible Informationen zum Gesundheitszustand von Michael Schumacher an die Öffentlichkeit gelangen.
Auf der Anklagebank sitzen drei Männer: Yilmaz T. (53) und dessen Sohn Daniel (30), beide aus Wuppertal. Und Markus F. (53), ein selbständiger IT-Unternehmer aus Wülfrath. Die Anklage listet auf: T. sei es gewesen, der versucht habe, die Schumachers zu erpressen und der damit gedroht habe, andernfalls Fotos und Videos im Darknet zu veröffentlichen. Die Aufnahmen sollen ihm laut Anklage zuvor von Markus F. „für einen Geldbetrag in unbekannter Höhe“ überlassen worden sein. Die Bilder dokumentierten seinen Krankheitszustand.
Und es soll der nun angeklagte Markus F. gewesen sein, der das Vertrauen der Familie missbraucht und die Aufnahmen dem mitangeklagten Yilmaz T. überlassen hat. Der Wülfrather soll jahrelang auf dem Anwesen der Schumachers in der Schweiz gewohnt und für die Familie als IT-Experte und im Sicherheitsdienst gearbeitet haben. Seinen Anwalt lässt F. sagen, er sei dort „Mädchen für alles gewesen“, wozu auch gehört habe, private Bilder zu digitalisieren. Bis hierhin deckt sich das, was Markus F. erzählt, mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.
Seine Tatbeteiligung hingegen bestreitet der 53-Jährige, mit der versuchten Erpressung habe er nichts zu tun. Er sei damals von seinem Chef abgezogen worden von dem Auftrag bei den Schumachers, kurz vor seinem Auszug sei sein Zimmer durchwühlt worden. Seinen Verteidiger ließ Markus F. sagen: „Mein Mandant möchte sich nicht an Spekulationen über das Auftauchen von Dateien beteiligen.“
Zuvor hatte der mitangeklagte Yilmaz T. den Wülfrather schwer belastet und behauptet, der habe ihm die Fotos und Videos überlassen und gesagt, „was dabei rumkommt, wird durch drei geteilt“. Die Dritte im Bunde: Eine Krankenschwester, die für die Schumachers gearbeitet habe. Die habe Markus F. „klargemacht“, auf privater Ebene, so erzählt es Yilmaz T. nun vor Gericht. Als der Frau dann gekündigt worden und sie in Geldnot gewesen sei, habe er Geld für sie auftreiben sollen. Er habe Leute gefragt und diese um mehrere zehntausend Euro gebeten, im Gegenzug hätten sie an dem Erlös aus der Schumacher-Erpressung beteiligt werden sollen.
Er wolle jetzt „geradestehen für den Scheiß“, den er gemacht habe. Einen der beiden Nebenklageanwälte bat er, Corinna Schumacher zu sagen, dass ihm „die ganze Sache leid tun“ würde. Obwohl das alles - so sieht es zumindest Yilmaz T. - doch gar keine Erpressung gewesen sei. Im Gegenteil, er habe sogar zuallererst den Anwalt der Schumachers angerufen und gesagt, er habe Fotos, die wolle er verkaufen. Er habe der Familie helfen wollen, für ihn sei das ein „Geschäft“ gewesen. Der Anwalt habe ihm gesagt, er solle sich direkt an die Familie wenden und er habe dann, so erinnert sich T., die erstbeste Telefonnummer mit dem Zusatz „Office“ gewählt. Markus F. und die Krankenschwester hätten ihm zuvor gesagt, er solle irgendwas zwischen 10 bis 15 Millionen Euro verlangen, dann habe er „direkt 15 Millionen gefordert“.
Seinen neben ihm auf der Anklagebank sitzenden Sohn habe er gebeten, ihm eine E-Mail-Adresse einzurichten, um einige Fotos per Mail an die Schumachers weiterzuleiten. Vermutlich sind es Sätze wie diese, die den Pressesprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft, Wolf Tilman Baumert, sagen lassen: „Es war keine allzu schlaue Idee und eine dilettantische Tat.“ Das sei auch der Grund gewesen für die Anklage vor dem Amtsgericht, die Höchststrafe liege dort bei vier Jahren Haft.
„Das treibende Motiv war wohl, das große Geld zu machen“, so Baumert. Wer glaube, jemanden spurenlos anrufen zu können, sei kein Profi. Für die Familie Schumacher dürfte das kaum eine Beruhigung sein. Wie schwierig die Situation ist, erzählte die langjährige Mitarbeiterin Sabine K.: „Wir haben Markus F. vertraut und waren überrascht, als wir das erfahren haben“. Dass der Wülfrather zuvor schon wegen Unterschlagung und Betruges verurteilt worden war, sei nicht bekannt gewesen.
Es sei schwierig, eine Grenze zwischen Vertrauen und Misstrauen zu ziehen. Im medizinischen Team hätten alle Beteiligten einen Zugang zum „Pflege-Computer“, der mit einem Code gesichert sei. Der Krankenschwester, die mit Markus F. freundschaftlich „verbandelt“ gewesen sein soll, habe man 2020 gekündigt: „Wir haben Probleme mit der Pflegeleistung bekommen und ein paar unschöne Dinge gesehen“, so Sabine K. In 2021 sei sie dann von einem „Szene-Anwalt aus dem Rotlicht-Milieu“ kontaktiert worden, der habe ihr damals Fotos zukommen lassen.
Gezahlt habe die Familie nichts und auch im Sommer 2024, als Yilmaz T. anrief, sei klar gewesen, dass sich die Familie Schumacher nicht erpressen lasse. Der erste „Erpresser-Anruf“ sei damals, mit unterdrückter Rufnummer, auf dem privaten Handy einer Mitarbeiterin eingegangen. Deren Telefonnummer sei öffentlich nicht bekannt gewesen, der Verdacht sei daher schnell auf das enge (Mitarbeiter-)Umfeld und insbesondere auf ebenjene, zuvor gekündigte Krankenschwester gefallen, mit der Markus F. in engem Kontakt gestanden sein soll.