Wuppertaler Opernhaus Verrat, Brief-Fake und Totalverlust
Wuppertal · Mit großem Personal und großen Kostümen hat das Wuppertaler Schauspiel Friedrich Schillers Groß-Psychodrama „Kabale und Liebe“ auf die Opernhaus-Bühne gebracht. Fast drei Stunden lang dauert das – und wird erst nach der Pause richtig gut.
„Kabale und Liebe“, nach aktuellem Sprachgebrauch mit „Intrigen und Liebe“ passend übersetzt, zählt zu den bedeutenden Sturm-und-Drang-Klassikern. In den 1780er Jahren ließ Schiller sichtbar werden, was die Unüberwindlichkeit von festgezimmerten Standesgrenzen mit der Gesellschaft macht. Und vor allem, was sie den Menschen und ihren Gefühlen, die sich eben um Standesgrenzen nicht kümmern, antut.
Regisseur Roland Riebeling, der in Wuppertal mit seiner Inszenierung von „Arsen und Spitzenhäubchen“ großen Erfolg hatte, lässt den Schiller-Stoff ganz klassisch, setzt nur mit kleinen, leisen Musikeinspielungen moderne Akzente. Silke Rekort verwöhnt das Auge mit üppigen Kostümen, Manfred Marczewski-Achilles als Bühnenbildner mit einer im Vordergrund zurückhaltend möblierten, im Hintergrund von einem gewaltigen Schlachtengemälde bestimmten Spielfläche.
In diesem Setting ist das Wuppertaler Ensemble achtköpfig aktiv – und stellt sich erfolgreich der anspruchsvollen Aufgabe, Schillers Sprache und komplexen Satzbau einem heutigen Publikum zu präsentieren. Dass dabei immer wieder die Akustik sehr zu wünschen übrig lässt, bleibt als Wermutstropfen im Ohr.
Luise, die Tochter des bürgerlichen Stadtmusikanten Miller, liebt den adeligen Major Ferdinand von Walther – und er sie auch. Doch sowohl Luises Vater als auch der von Ferdinand, Präsident von Walter, sind dagegen, haben andere Pläne für ihren Nachwuchs.
Es beginnt eine fatale Kaskade finsterer Pläne, um die jungen Leute um jeden Preis auseinanderzubringen. Und „um jeden Preis“ ist wörtlich zu verstehen, denn Luise und Ferdinand werden sich am Ende vergiften.
Das Wuppertaler Ensemble agiert auf hohem Niveau. Wird dabei eindeutig überstrahlt von Paula Schäfer als ganz wunderbarer Luise. Stark Thomas Braus als Präsident von Walter – ein wahrer Widerling von Kopf bis Fuß. Intensiv spielt Julia Meier ihre Lady Milford, lässt die Geschichte einer verarmten englischen Adeligen, die sich in Deutschland irgendwie über Wasser halten muss, anschaulich werden. Optimales Unsympathentum bringt Hendrik Vogt als Präsidenten-Sekretär Wurm. Und Alexander Peiler als Hofmarschall von Kalb ist in seiner trotteligen Oberflächlichkeit der Publikumsliebling mit Lacher-Garantie bei jedem Auftritt.
Die Inszenierung, die sich vor der Pause nur zäh schleppt, wird im zweiten Teil zur hochverdichteten Psycho-Tragödie. Wenn die schlimmen Folgen eines erzwungenen Fake-Liebesbriefes, der Summe der Doppel-Intrigen der beiden Väter und der unüberwindlich verknöcherten Standesgrenzen-Gesellschaft das Leben von Luise und Ferdinand kosten, zeigt sich eine harte Wahrheit: Die Liebe überwindet eben doch nicht alles.
„Kabale und Liebe“ bleibt auch 240 Jahre nach seiner Uraufführung noch gültig: Wenn die durch Eltern und Familien verkörperten Grenzen zwischen Klassen (heute wohl eher Kulturen und/oder Religionen) aus Traditions-Fundamentalismus das Herzensglück zerstören, verlieren am Ende alle. Aber die Welt dreht sich trotzdem weiter. Vater Miller und Vater von Walter „vertragen“ sich wieder. Fast als wär’ nichts gewesen. Bitteres Ende.